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Ruhig, introvertiert, unauffällig soll jener gehbehinderte 84-Jährige gewesen sein, der in der Nacht auf Mittwoch durch eine Polizeikugel starb. Beamte und Staatsanwaltschaft untersuchen den Tatort in Laakirchen

Foto: APA/Rubra

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Die zweite Kugel traf den 84-Jährigen tödlich im Brustbereich. Offenbar dürfte das Projektil durch den Rücken des Pensionisten wieder ausgetreten sein, denn in der Wand hinter der Eingangstür war beim DER STANDARD-Lokalaugenschein deutlich ein Einschussloch erkennbar

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Im nahen Fliesengeschäft beschreibt man Josef S. als "total unauffälligen Mensch. Kein Querulant, kein Waffen-Narrischer. Vor allem nach dem Tod seiner Frau hat er sich zurückgezogen", erfuhr DER STANDARD.
Aber der gehbehinderte Mann, der bis zu seiner Pensionierung in der Papierfabrik im Ort gearbeitet hatte, lebte nicht alleine in dem alten Haus mit der akkurat geschnittenen Hecke und dem penibel gestutzten Rasen: Den ersten Stock des Hauses bewohnte der Enkel des Pensionisten. Ob dieser sich zum Zeitpunkt des frühmorgendlichen Zwischenfalls im Haus befand, wollte man am Mittwoch vonseiten der Ermittler nicht sagen. Offen blieb auch, warum die Beamten sofort handelten und nicht eine weitere Streife oder das Einsatzkommando Cobra - stationiert im nur wenige Kilometer entfernten Mondsee - zu Hilfe gerufen wurde.

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Laakirchen - Ein 84-jähriger Pensionist ist in der Nacht auf Mittwoch in Laakirchen (Bezirk Gmunden) von einem Polizisten auf seinem eigenen Grundstück erschossen worden. Der 84-Jährige hat vor den zwei Beamten bereits einen Zeitungszusteller mit einer vermeintlichen Schusswaffe bedroht. Wie sich  herausgestellt hat, war die Waffe des Pensionisten jedoch nur eine täuschend echt aussehende Pistolen-Attrappe, berichtete Christian Hubmer von der Staatsanwaltschaft Wels.

Zeitungszusteller hat nur angehalten um sich zu  orientieren

Ein Zeitungszusteller war auf der Suche nach einer bestimmten Zustelladresse. Weil er mit der Örtlichkeit nicht vertraut war, ist er gegen 2.00 Uhr in die Hauseinfahrt des Pensionisten gefahren, um sich zu orientieren. Als er die Hausnummer ablesen wollte, sei der Pensionist mit einem Gehstock und einem weiteren Gegenstand in der Hand herausgekommen. Der Zeitungsausträger habe dann das Seitenfenster geöffnet und sei mit einer Pistole bedroht worden. Der ältere Mann habe aus einer Entfernung von einem halben Meter auf ihn gezielt. Er startete daraufhin sofort wieder sein Auto und flüchtete. Gegen 2.15 Uhr erstattete er bei der Polizeiinspektion Gmunden telefonisch Anzeige. Der Zeitungszusteller gab bei einer Befragung am Nachmittag an, dass er Todesangst ausgestanden habe.

Nächtlicher Besuch von der Polizei

Eine Streife machte sich dann zu dem Haus des Pensionisten auf. Der alte Mann kam wieder mit der Pistole heraus. Die Beamten forderten ihn mehrmals auf, stehen zu bleiben und die Waffe abzulegen. Dem kam er aber nicht nach. Auch auf erneute Aufforderungen reagierte er nicht. Einer der Polizisten gab schließlich einen Warnschuss in den Boden vor dem Haus ab. Was dann genau passierte, ist noch Gegenstand von Ermittlungen. Einer der Beamten gab jedenfalls einen gezielten Schuss auf den Mann ab. Die Kugel traf den Mann tödlich in die Brust.

Keine Verstärkung angefordert

Warum die Beamten sofort gehandelt und nicht Verstärkung angefordert haben, muss erst geklärt werden.

Waffe sieht täuschen echt aus

Die Beamten dürften die Pi 38-Nachbildung jedenfalls für echt gehalten haben: Es handelt sich um eine Nachbildung der während des Zweiten Weltkrieges gefertigten Pi 38, Kaliber neun Millimeter. Diese sieht einer echten Waffe täuschend ähnlich, wie sich Journalisten bei der Pressekonferenz überzeugen konnten. Ein Fachmann erkennt die Attrappe nur daran, dass ihr Magazin mit der Waffe verschweißt ist, beim Original ist dieses abnehmbar.

Schussabgabe bei Dunkelheit

Dabei sei zu berücksichtigen, dass zum Zeitpunkt der Schussabgabe Dunkelheit herrschte, betonten Exekutive und Staatsanwaltschaft.

Polizisten werden psychologisch betreut

Das Haus wurde von der Polizei weiträumig abgesperrt. Das Landeskriminalamtes und die Staatsanwaltschaft ermitteln am Tatort. Aus Gründen der Objektivität hat die Ermittlungen auf Anordnung des Innenministeriums das Landeskriminalamt (LKA) Steiermark übernommen. Die beiden Streifenpolizisten werden psychologisch betreut und sollen befragt werden. Eine Obduktion der Leiche wurde beauftragt.

Opfer hielt Beamte möglicherweise für Einbrecher

 Das Alter des Toten wurde am Vormittag von der Polizei irrtümlich auf 86 Jahre korrigiert, danach aber wieder mit 84 angegeben. Bei der Pressekonferenz wurde spekuliert, dass sich der Pensionist möglicherweise aus Angst vor Einbrechern privat bewaffnet hatte. Sein Haus hatte er mit zwei Überwachungskameras gesichert. Durch die Dunkelheit sei es auch vorstellbar, dass der Mann die Polizei für Einbrecher gehalten habe oder die Einsatzkräfte altersbedingt möglicherweise akustisch gar nicht verstanden habe.

Opfer hat früher in der Papierfabrik im Ort gearbeitet

Eine Nachbarin beschrieb den Pensionisten als sehr ruhig. Er habe zurückgezogen gelebt und nicht viel geredet. Irgendwelche Auffälligkeiten habe es bei ihm nicht gegeben. Vor seiner Pensionierung habe er in der Papierfabrik im Ort gearbeitet. Es soll eine Tochter, einen Schwiegersohn und Enkelkinder geben.

Das nächtliche Drama scheint im Verkehrslärm untergegangen zu sein. Die vielbefahrene B144 führt unmittelbar am Haus des Opfers vorbei. Die Nachbarn bemerkten kaum etwas von dem Geschehen.(APA,red)