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Mustafa Ait Idir mit seinen Söhnen (14, elf und acht Jahre alt) in Bosnien-Herzegowina. Der ehemalige Guantánamo-Häftling wurde nie angeklagt oder verurteilt. Er kehrte im Dezember 2008 aus den USA zurück.

Foto: Reuters/Danilo Krstanovic

Ein Algerier, der 2001 aus Bosnien-Herzegowina nach Guantánamo gebracht wurde, saß sieben Jahre unschuldig in Haft. Heute kämpft er um sein finanzielles Überleben. Hilfe für einen Neustart hat er bisher von keinem Staat bekommen. 

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Mustafa Ait Idir will seinen Kopf nicht in die Vergangenheit stecken, wie er sagt. Er würde gern nur an die Zukunft denken. Wenn da nicht die Gegenwart wäre. Der ehemalige Guantánamo-Häftling, der in Bosnien lebt, wird dauernd von den "Konsequenzen der Vergangenheit" eingeholt. Mit dem Stigma des "Terror-Häftlings" belegt, kann er keinen Job finden, mit dem er seine Familie erhalten kann. Er unterrichtet ein wenig Karate und produziert Visitenkarten: Für 100 Stück bekommt er 25 bosnische Mark, also 12 Euro.

"Die Leute wissen, dass ich aus Guantánamo komme, deshalb ist es schwer", sagt Idir. Er macht sich Gedanken, wie er das Schulgeld für seine Söhne zahlen soll. Vom amerikanischen Staat hat er bisher keine Kompensation erhalten. Obwohl er widerrechtlich sieben Jahre lang gefangen gehalten wurde. "Die haben Regelungen, wonach kein Ex-Häftling einen Dollar bekommen wird."

In Guantánamo wurde Idir geschlagen, man brach ihm den Finger, ein Wächter warf ihn auf den Schotter und sprang mit vollem Gewicht auf seinen Kopf. Auf der linken Seite sind Idirs Gesichtsnerven seitdem beschädigt. "Guantánamo war wie ein schlechter Montag, dem ein noch schlechterer Dienstag folgte. Die Woche hörte nicht auf. Es gibt dort kein Wort für gut", erzählt er. "Die kleinen Dinge kannst du vergessen, aber die großen, das geht nicht." Idir ärgert sich heute nicht über die "sieben scheußlichen Jahre", er ärgert sich, dass jene Bosnier und Amerikaner die für seine Haft verantwortlich sind, nicht zur Rechenschaft gezogen werden. Die bosnische Regierung unterstützt ihn finanziell nicht. Auch die österreichische Regierung hat abgewunken.

Der Algerier wurde im Oktober 2001 in Bosnien wegen des Vorwurfs verhaftet, mit fünf anderen Personen einen Anschlag auf die US-Botschaft geplant zu haben. Als er nach Guantánamo gebracht wurde, war seine Frau im siebenten Monat schwanger. Sein jüngster Sohn geht heute in die Volksschule. Mustafa Ait Idir glaubt, dass er nicht weiß, wo sein Vater war. Nur sein Ältester hat es wohl in der Schule gehört. Es tut ihm leid, wenn er nicht "normal" auf seine Kinder reagiert, sagt er. (Adelheid Wölfl/DER STANDARD, Printausgabe, 22.4.2010)