Textkünstler Heinz Gappmayr Mitte der 1990er.

Foto: Galerie v. d. Koelen

Wien/Innsbruck - Es war die Materialität von Sprache, die Heinz Gappmayr interessierte. Der 1925 in Innsbruck geborene Künstler analysierte das Verhältnis der visuellen Schriftcodes, von Buchstaben, Zahlen und ganzen Begriffen zum umgebenden Raum, zu der sie tragenden Fläche. Daraus resultierten zurückhaltende Kompositionen, häufig nur in Schwarz und Weiß, manchmal ergänzt von Linien und einfachsten geometrischen Formen. "Die Fläche besitzt die ihr eigene Grammatik. Die Fläche nötigt dazu, den Text von ihr her zu denken, damit ihre Funktion zur Geltung kommen könnte", betonte Gappmayr 1965 die Macht des Freiraums, den Einfluss der zwischen den Zeichen liegenden Fläche.

In Gappmayrs Arrangements von zentralen Begriffen sollte sich auch ihre Bedeutung herausschälen. "Die visuelle Dichtung macht sichtbar, wie sich bloße Striche in sinnhaft logische Welt ermöglichende Zeichen verwandeln." Und seine konzeptuellen Arbeiten wechselten ihre Träger:Sie hefteten sich etwa auf Papier und Leinwand oder führten installativ - als "Raumtexte" - auf den Wänden der White Cubes oder im öffentlichen Raum ihre dynamischen Kraftgefüge vor. Dauerhaft eingeschrieben haben sich drei Arbeiten Gappmayrs in die Architektur der Wiener Hauptbibliothek: So erinnern an der Stirnseite des Eingangsfoyers Fragmente des Wortes "Zeit" an die anfängliche Mühsal beim Lesenlernen. Gappmayr 1968: "Worte bestehen aus krummen und geraden Linien wie eine Zeichnung; mit ihnen bringen wir aber einen bestimmten Sinn in Zusammenhang. Der tägliche Umgang mit Geschriebenem verstellt uns den Blick für das Ungewöhnliche dieses Phänomens."

Für den Kunsthistoriker Peter Weiermair zählte Gappmayr ebenso wie Gerhard Rühm, Friedrich Achleitner und Oswald Wiener zu jenen österreichischen Künstlern, die nach dem Krieg die dadaistischen, surrealistischen und futuristischen Anregungen zur visuellen und konkreten Poesie konsequent weiterführten. Gappmayr selbst behagte der Begriff "Poesie" in Zusammenhang mit seinem Werk allerdings nicht so sehr; er bevorzugte das Wort "Text".

Gappmayr, dessen Werkverzeichnis mehr als 2000 Arbeiten zählt, teilt das gleiche Schicksal wie viele andere österreichische Künstler: Er war im Ausland populärer als zu Hause. Erst 1997 widmete man ihm eine große Retrospektive in der Kunsthalle Wien. Letzte größere Ausstellungen fanden 2001 und 2005 in der Galerie Taxispalais und im Landesmuseum Ferdinandeum in Innsbruck statt.

"Er war Ratgeber vieler Künstler, sein Wissen ist weit über die bildende Kunst hinausgegangen," beschreibt ihn sein Wiener Galerist Peter Lindner. "Wo Gappmayr hinsehen lässt, setzt Denken ein und kehrt als Erkenntnis in den Betrachter zurück", formulierte einmal der Schriftsteller Ferdinand Schmatz. Am Montag starb Heinz Gappmayr im 85. Lebensjahr in Innsbruck. (Anne Katrin Feßler, DER STANDARD/Printausgabe, 21.04.2010)