Wien - Wieder hat Performerin Barabara Kraus sich selbst zu Hause gelassen und ihr rührendes Alter Ego Aloisia Schinkenmaier vorgeschoben. Und endlich wurde die Methode des Selbstknetens - von Jefta van Dinther - in den Tanz eingeführt. Mit diesen beiden Errungenschaften trumpfte das Tanzquartier Wien zum Einstand seines Parcours an den Grenzen zur Berührung in Tanz und Performance mit dem Titel Scores #1: touché auf.

Aloisia ist eine resche Person mit dem Sprachduktus einer Bauersfrau aus dem steirischen Joglland sowie einem Naheverhältnis zu Satan und zu Pippi Langstrumpf. In ihrem neuen Live-Einsatz What my friends Pippi and Robin ... legt sie allerdings ihren Flirt mit dem Höllenfürsten, der im Herbst im Brut-Theater knisterte, auf Eis. Stattdessen lässt Aloisia wissen, dass ihr Herz auf dem wahren, dem linken Fleck sitzt.

Was "das gute Leben" heute heißen sollte, das überlegt Kraus - Verzeihung, Aloisia - zusammen mit der Sozialexpertin Michaela Moser und dem Künstler Hannes "fishy" Wurm. Erst einmal Schluss mit Prekariat und herablassender "Subventionierung" von Künstlern. Dazu passte die Einspielung eines Videos, mit dem Kraus vor Jahren um ein Jahresbudget beim Wiener Kulturamt einreichte und so den Beirat in Verwirrung stürzte. Abermals zeigt sich Kraus als mutige Kämpferin für soziale Gerechtigkeit. Mit ihrer Improvisationsgabe, mit der sie auch Ausuferungen ihres Auftritts in Highlights desselben verwandeln kann, rückt die Künstlerin der Realität zu Leibe. Sie tritt für eine Finanztransaktionssteuer ein und schlägt zur Umsetzung eine "Robin-Hood-Stiftung" vor, die prekären Lebenssituationen durch ein bedingungsloses Grundeinkommen zu verbessern.

Auf diesem Akt geballter Frauenpower passte Jefta van Dinthers ironisches Herrentrio geradezu perfekt: der männliche Körper in der Krise und als Karikatur des patriarchalen Helden. In Kneeding (ein Wortspiel aus den englischen Begriffen für Kneten und Knien) befindet sich der Mann im Prozess einer Transformation. Er knetet sich von innen her durch. Dabei werden all die Grimassen der maskulinen Repräsentation wie in einem letzten Sichaufbäumen sichtbar. Es kommt noch mehr. Am Mittwoch werden die taktilen Untersuchungen des TQW mit u.a. Philipp Gehmacher und Rachid Ouramdane fortgesetzt. (Helmut Ploebst, DER STANDARD/Printausgabe, 20.04.2010)