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Vater und Sohn im komischen Dialog: Manfred Hemm (als König) und Mehrzad Montazeri (als Prinz).

Foto: APA / HERBERT NEUBAUER

Wien - Bisschen morbid, das Ambiente: Rechts oben auf der Bühne steht ein reitendes Skelett mit einer Fahne in den Knochenhänden, auf der ein Horaz-Spruch prangt ("Der Tod steht am Ende aller Dinge"), was nicht unbedingt launehebend wirkt. Und: Auch die gesamte Raumlösung (Bühnenbild: Karl-Ernst Herrmann) scheint zunächst durchaus makaber - also wie ein Pathologie-Hörsaal, in dem man gleich zur Autopsie schreiten könnte, falls der hypochondrische Prinz alsbald das Zeitliche segnet.

Doch die Lachtherapie, die dem jammernden Königssohn verordnet wird, zeigt schließlich den gewünschten und vom Monarchen (solid Manfred Hemm) eingeforderten Effekt: Angesichts zweier feister Schenkel einer unfreiwillig auf den Rücken gefallenen Dame (es ist die Zauberin Fata Morgana, die dem Prinzen an sich alles andere als wohlgesinnt ist) verfällt der Patient in heilsames Gelächter (schöne, zumeist tragfähige Stimme, aber steife Rollengestaltung: Mehrzad Montazeri).
Tanzende Köpfe

Die für alle gemütsaufhellenden Folgen: Es verwandelt sich der Hörsaal endgültig in eine Manege des Surrealen, in der Tortenschlachten und tanzende Rinderköpfe ohne Erfolg versucht haben, dem Prinzen seine durch giftige, ins Essen gemixte Poesie verursachte Schwermut wegzuheilen. Es wird Prokofjews Oper Die Liebe zu den drei Orangen also zum Ort lustiger Verdrehungen von Wirklichkeit. Zauberin Fata Morgana (punktet mit schriller Präsenz: Irmgard Vilsmaier), deren Fluch den Prinzen zwingen wird, sich in die drei (Prinzessinnen bergenden) Orangen zu verlieben, entsteigt einer Cointreau-Flasche (der Likör wird aus Orangenschalen gebraut!) und: Von der Decke kommen skurrile Figuren und auch Riesenpalmen.

Natürlich verfehlt besonders auch der gefährliche Suppenlöffel, mit dem die korpulente Köchin (kurzweilig um Zierlichkeit bemüht Dirk Aleschus) die drei Orangenprinzessinnen bewacht, nicht seine Wirkung. Immerhin scheint er bedrohliche drei Meter lang zu sein; es passt jedenfalls des Prinzen Begleiter Truffaldino (sehr gut Christian Drescher) in die Löffelschale als ganzer, angstschlotternder Kerl.

Das war zwar alles recht lustig, allerdings nicht ganz so lustig, wie der einleitende Auftritt von Robert Meyer, der seine direktorialen Qualen ob der tatsächlich eingetretenen und nur befürchteten kurzfristigen Sängerausfälle schilderte. Will heißen: Da war irgendwie doch mehr möglich.

Immerhin aber kann die Inszenierung des 2002 verstorbenen Ernst-Theo Richter, die im Todesjahr des Regisseurs in Hamburg Premiere hatte, durch ihre Buntheit und Schrillheit optische Reize setzen, die über eine gewisse Erzähllangsamkeit hinwegtragen. Es hilft zudem die von Wolfgang Bücker szenisch einstudierte Geschichte selbst nach:

Sie lässt ja den Chor ins Geschehen zwecks Happy End lenkend eingreifen. Und sogar zum Opernschluss hin hat sie reizvolle Metamorphosen im Angebot, die auch bei kläglicher Umsetzung ihren Märchencharme nicht eingebüßt hätten. Als der Prinz eine der drei gelben Früchte öffnet, entsteigt ihr schließlich seine Herzensdame (Anja-Nina Bahrmann), die bald jedoch von einer Vertreterin der bösen Mächte (Eva Maria Riedl als Smeraldina) in eine Ratte verwandelt wird.
Tolles Orchester

Das kann schon wirken, wenn man das Kind in sich zulässt. Zudem: Die vokalen Leistungen haben insgesamt sehr ansprechendes Niveau, und auch das Orchester unter Dirigent Alfred Eschwe beeindruckt. Dessen Wirken hatte jederzeit eine klare Gestaltungsrichtung. Ob es nun um präzise Linienführung ging oder um klangfarbliche Passagen - immerzu prägten die Noten Klarheit und Intensität, was überzeugendes Musizieren erst hervorbringt. (Ljubisa Tosiæ, DER STANDARD/Printausgabe 19.4.2010)