In der US-Armee ebenso wie in den meisten europäischen Armeen haben Frauen seit langem ihren Platz. Aber erst jetzt, seit der Irakkrieg auch unter weiblichen Truppenangehörigen Opfer fordert, wird über Frauen an der Front und die Grenzen der Gleichberechtigung neuerlich nachgedacht - und zwar von Gegnern wie Befürwortern.

US-Feministinnen haben seit jeher für freien Zugang von Frauen zu allen Verwendungsgruppen beim Militär gekämpft und erreicht, dass diese seit 1994 auch in "Risk"-Positionen eingesetzt werden. 90 Prozent aller Jobs in der Armee sind heute geschlechtsneutral - praktisch alles außer Nahkampf. Im Irak sind Zehntausende Frauen im Einsatz: als Hubschrauberpilotinnen, Lastwagenfahrerinnen, Nachschubspezialistinnen, vom Rekruten bis zum General. Sie machen ihre Sache gut. Aber spätestens seit Bilder von weiblichen US-Kriegsgefangenen im Fernsehen zu sehen waren, sind viele Amerikaner und Amerikanerinnen erschrocken.

Junge Frauen hilflos in der Gewalt erbitterter Feinde? Nicht nur dem Risiko des Todes ausgesetzt, sondern auch dem Risiko von Vergewaltigung, Misshandlung, Erniedrigung? Lange hielt sich in den USA die Vorstellung vom "sauberen" Krieg, der vor allem von hoch technisierten Geräten bewerkstelligt wird, und von der Armee als einem Arbeitgeber wie andere auch, der speziell Minderheiten und Frauen Aufstiegsmöglichkeiten versprach. Und wenn schon Arbeit bei der U.S. Army, sagten die Feministinnen, dann bitte auch mit allen Rechten und Pflichten und ohne Diskriminierungen und Privilegien.

Aber saubere Kriege scheint es nicht zu geben. Je mehr es im Irak ernst wird, je mehr auch die Nachschubabteilungen, wo besonders viele Frauen beschäftigt sind, ins Feuer geraten, je mehr Guerillataktiken angewandt werden, desto mehr verschwimmt auch der Unterschied zwischen Frauen zumutbaren und nicht zumutbaren militärischen Tätigkeiten.

Das Kriegshandwerk ist das Handwerk des Tötens und Getötetwerdens. Das ist die Essenz des Krieges, die im Frieden von der Faszination von Hightech-Waffen zeitweilig überdeckt wird. Männer haben das Töten seit jeher betrieben; Frauen waren in Kriegen meistens nur die Opfer. Ausnahmen waren die Partisanenkriege, bei denen es um die Verteidigung der eigenen unmittelbaren Heimat und der eigenen Familie ging. Da haben im 20. Jahrhundert zunehmend auch die Frauen zum Gewehr gegriffen.

Und wie verhalten sich Männer im Krieg, wenn sie Seite an Seite mit Frauen kämpfen? Sind die Soldatinnen für sie nur Kumpel wie die männlichen Kameraden, oder kommt auch hier der Beschützerinstinkt zum Tragen ? Als im Irak eine 19-jährige US-Soldatin in Gefangenschaft geriet, wurde sie von einem Sonderkommando befreit. Wäre das Gleiche auch für einen männlichen Armeeangehörigen geschehen? Und was sagen die Kinder, deren Mütter an der Front sind? Sind sie stolz auf ihre Mami, die gegen die Feinde antritt, oder graut ihnen insgeheim vor einer Mutter, die berufsmäßig töten muss? Sicher, die Schrecken des Krieges und die Gewissenskonflikte betreffend dessen Berechtigung gelten auch für Männer. Aber ist es dasselbe, wenn Männer und Frauen das Gleiche tun und wenn dieses Gleiche "töten" heißt?

Im Krieg kommt man auch als überzeugte Emanze ins Grübeln. Ich gestehe, dass ich auf die Frage "Frauen an die Front?" keine Antwort weiß. (DER STANDARD, Print-Ausgabe vom 14.4.2003)