Mangelnde Lernmotivation und zu starke Konzentration auf Schularbeitsfächer: Das sind zwei der Probleme im Schulwesen aus der Sicht von Psychologin Christiane Spiel. Sie soll Mitglied jener "Zukunftskommission" werden, die die prinzipiellen Schulziele definieren wird.

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Wien - "Je länger österreichische Schüler im Schulsystem sind, desto mehr sinken Lernmotivation und Selbstvertrauen in die eigenen Lernfähigkeiten." Das hat Uniprofessorin Christiane Spiel in jahrelanger Forschungsarbeit beobachtet. Und das ist aus ihrer Sicht eines der Probleme, die behoben werden sollten. Die Leiterin der Abteilung Bildungspsychologie und Evaluation am Wiener Institut für Psychologie ist als eines von fünf Mitgliedern der "Zukunftskommission" des Bildungsressorts vorgesehen, die nach den Osterferien (begrenzt auf ein halbes Jahr) ihre Arbeit aufnehmen soll.

Spiels Institut hat wiederholt die zu hohe häusliche Arbeitszeit eines Teils der Schüler kritisiert. Wiewohl Spiel eine Schülerentlastung prinzipiell begrüßt, will sie die aktuelle Reform im STANDARD-Gespräch nicht kommentieren: "Das ist eine politische Entscheidung." Dass es nicht ideal ist, zuerst Stunden zu kürzen und erst danach über Schulziele nachzudenken, räumt sie jedoch ein. Die Kommission werde definieren müssen, welche Kompetenzen und Kenntnisse man heute brauche, was Kernbereiche sind und wie der Lehrberuf attraktiver werden könne. Grundsätzlichen Diskussionsbedarf sieht Spiel in folgenden Bereichen:

  • Die Form des derzeitigen (Häppchen-)Unterrichts, zerhackt nach einzelnen Schulstunden, müsse überdacht werden. Einige Schulen böten schon Alternativen in Form von fächerübergreifenden Flächen- oder Projektunterricht an, solche Modelle müsse man sich anschauen.

  • Hausübungen werden im heimischen Schulwesen zu wenig als Lernmöglichkeit begriffen. "Da ist der Wurm drin." Außerdem haben österreichische Schüler im Vergleich zu den Nebenfächern ein unverhältnismäßig "hohes Zeitinvestment" für Schularbeitsfächer. "Man muss sich fragen, ob das sinnvoll ist." Wobei Spiels Studien übrigens keinen Zusammenhang mit Schulerfolg und häuslichem Zeitaufwand maßen.

  • Was die Lehrer betrifft: Vor allem an höheren Schulen seien sie von ihrer Ausbildung her nicht genügend darauf vorbereitet, differenziert auf die "verschiedenen Schülertypen" einzugehen. Wobei die Psychologin Verständnis für die Pädagogen zeigt: "Sie sollen immer Wunderwuzzi sein, Aggressionen aushalten, ihr Fach beherrschen, fördern und motivieren." Ihr "Selbstwertgefühl" müsse durch eine entsprechende Aus- und Weiterbildung gehoben werden. Ein Problem sei aber auch, dass Evaluation und Qualitätsmanagement nicht genügend an den Schulen etabliert sei. "Lehrer sind es nicht gewohnt, beurteilt zu werden, obwohl sie selbst permanent andere beurteilen."

    Spiel fürchtet, dass die Lehrerschaft dank Stundenreduktion wenig Kooperationsbereitschaft für weitergehende Schulreformen zeigen könnte, meint aber: "Es lohnt nicht, sich da reinzuverbeißen. An den Unis versucht man ja auch, das Beste aus dem Universitätsgesetz zu machen." (Martina Salomon/DER STANDARD, Print-Ausgabe, 12./13.4.2003)