Die unvorstellbaren Geldmittel, die allein in die Entwicklung von Waffen- und militärischen Informationssystemen investiert werden, hätten vermutlich etliche Kriege verhindern können, wären sie für wirtschaftlich, sozial und damit politisch stabilisierende Interventionen in Krisenregionen eingesetzt worden. Wie viele andere Forschungsbereiche wird auch jener der Künstlichen Intelligenz seltener zur Verhinderung als zur effizienteren Durchführung von Kriegen genutzt. "Dabei", erklärt Robert Trappl, Vorstand des Instituts für Medizinische Kybernetik und Artificial Intelligence an der Uni Wien, "könnte man unser Know-how genauso gut dafür einsetzen, den Ausbruch von Kriegen zu vermeiden oder sie zumindest nachhaltig zu beenden."

Daher konzentriert sich der Forscher auf die Entwicklung computergestützter Methoden für ein verbessertes Konfliktmanagement. Eine dieser Methoden ist etwa das "Case Based Reasoning", mit dem aus einer riesigen Datenbank, die detaillierte Informationen über rund 5000 Krisen, Kriege und Konfliktvermittlungen auf der ganzen Welt enthält, für eine spezielle Situation ähnliche Fälle aus der Vergangenheit zum Vergleich herangezogen werden können.

Auf diese Weise kann man aus der Geschichte lernen, welche Maßnahmen in einer bestimmten Situation einen Konflikt erfahrungsgemäß deeskalieren und welche voraussichtlich zu einer Verschlechterung der Lage führen werden. Adressaten für dieses computerbasierte Friedens-Know-How seien nicht zuletzt die Politikberater, deren Suche nach dem besten - also dem am wenigsten Menschenleben fordernden - Weg jedoch häufig durch die von ihnen zu vertretende Rechtfertigungsideologie unterbunden wird. "Aber man sollte nicht übersehen, dass man damit auch die Opposition in ihren Argumenten unterstützen kann", kämpft Trappl gegen die Anfechtungen der Resignation, die in Zeiten wie diesen gedeihen.

Seine Arbeiten zur Konfliktvermeidung mittels Künstlicher Intelligenz sind Teil des vom Wissenschaftsministerium initiierten Forschungsschwerpunkts "Friedenssicherung und Vermeidung von Gewalt", der kurz nach dem letzten Krieg im ehemaligen Jugoslawien gestartet wurde. Aufgabe der drei dafür ausgewählten Forschergruppen: "Entwicklung anwendungsorientierter Handlungsanleitungen und Instrumentarien im Bereich der Krisenfrüherkennung, der Konfliktprävention und -lösung sowie der Friedenskonsolidierung".

Da viele Kriege auf ethnische Unterschiede in der Bevölkerung zurückgeführt werden, hat sich in diesem Rahmen eine internationale Arbeitsgruppe um die Grazer Juristen und Südosteuropa-Experten Joseph Marko und Wolfgang Benedek mit der Rolle der "Ethnischen Ungleichheit in Konfliktsituationen" auseinander gesetzt. Während sich solche Studien bisher primär auf Länderebene abspielten, wurde hier erstmals auch die lokale und regionale Ebene einbezogen. Erfolgreichen Modellen von Konfliktprävention und -management in multiethnischen Regionen wie Südtirol wurden weniger erfolgreiche wie das Baskenland oder Ostslawonien gegenübergestellt.

Zentrale Erkenntnis: Die ethnonationale Mobilisierung der Bevölkerung fiel vor allem dort auf fruchtbaren Boden, wo der jeweilige (serbische, kroatische, baskische) Nationalismus andere Identitäten überlagert hat. Resistenter gegen diese Instrumentalisierung waren Regionen, wo eine spezifische lokale Identitätsbildung der Menschen stattgefunden hatte.

So konnten die Forscher etwa eine ausgeprägte regionale istrische Identität ausmachen, "die sich", erläutert Marko, "auch nicht durch den kroatischen Nationalismus und die Massenmobilisierung durch Franjo Tudjman vereinnahmen ließ". Wichtig wäre demnach die gezielte Konstruktion eines multikulturellen regionalen Bewusstseins: "Man müsste dem Nationalismus mit einer Gegenideologie entgegentreten, die von Multiplikatoren wie Lehrern und Journalisten, aber auch von NGOs als politische Bildung zu verbreiten wäre", folgert der Internationale Richter des Verfassungsgerichtshofs von Bosnien und Herzegowina.

Wie diese Forderung umgesetzt werden kann? "Indem eine regionale Geschichtsschreibung - etwa für die Region Alpe-Adria - gefördert wird." Außerdem müsste eine konsequente Geschichtsaufarbeitung nach einem Krieg, etwa durch die Einrichtung von Wahrheitskommissionen, von internationalen Organisationen und der EU eingefordert werden: "Wenn nötig mit massivem Druck, indem Wirtschaftshilfen nur dann ausgezahlt werden, wenn man zur regionalen Zusammenarbeit bereit ist."

In den Köpfen der Menschen zu verankern sei auch der Zweifel an der weit verbreiteten Überzeugung, dass bei so genannten ethnischen Konflikten tatsächlich ethnische Differenzen die Ursache für die Krise sind. "Ethnizität wird wie Religion häufig als Ideologie missbraucht, um die Menschen für bestimmte Ziele zu mobilisieren", ist Marko überzeugt. "Unterschiedliche ökonomische Interessen werden bewusst zu ethnischen Konflikten gemacht, um Machtinteressen zu verschleiern."

So wurden die ursprünglich ökonomischen Differenzen zwischen Slowenien und Serbien erst mit der Machtübernahme durch Milosevic in einen ethnischen Konflikt umgepolt. Letztlich gehe es, so Marko, um die Schaffung funktionierender Zivilgesellschaften, an der auch NGOs maßgeblich mitwirken können.

Ein wesentlicher Aspekt der Friedenssicherung ist auch ein reflektierter Umgang mit Flüchtlingen - wirken doch die europäischen Staaten durch die Art ihrer Flüchtlingsbetreuung nicht unwesentlich an der Gestaltung von Nachkriegsordnungen mit. Eine Forschergruppe um den Salzburger Erziehungswissenschafter Edgar Forster befasst sich im "peace project" mit der Frage nach den Zusammenhängen zwischen Geschlecht, Identität, Kriegserfahrung und Flüchtlingsbetreuung. Der Analyse von Geschlechterverhältnissen kommt dabei in allen drei Teilprojekten eine zentrale Rolle zu: "Die Verflechtung von Gender und Krieg zu verfolgen bedeutet aber mehr, als die verschiedene Betroffenheit von Männern und Krieg zu thematisieren", betont Ruth Seifert. "Es heißt auch, dem Zusammenhang von Genderdynamiken und Kriegsdynamiken nachzuspüren und aufzudecken, auf welche Weise sie sich gegenseitig bedingen und beeinflussen."

Franziska Lamott hat in ihrer Arbeit etwa das problematische Trauma-Konzept analysiert, auf das die westliche Welt in ihren friedenspolitischen und therapeutischen Maßnahmen so gerne zurückgreift: Dadurch werde aus dem realen Kriegstrauma "ein symbolisches Kapital, das Flüchtlinge zu einer Trauma-Rhetorik zwingt, wenn sie gehört werden und den oft lebensnotwendigen Status als Asylantinnen und Asylanten bekommen wollen". Da die Charakterisierung des Traumas weitgehend parallel zu jener von Weiblichkeit verlaufe, können sich, erklärt Lamott, Männer in diesem Konzept nur schwer erkennen, wodurch therapeutische Hilfe von ihnen oft abgelehnt werde. Zum anderen komme dem Trauma eine wichtige Funktion bei der Inszenierung des Nationalen zu. Der Westen laufe damit Gefahr, "die Grammatik des Nationalen durch Stärkung des Opferstatus und seiner identitätsstiftenden Funktion zu unterstützen".

Ingo Bieringer und Edgar Forster fanden heraus, "dass deren Arbeit stark vom Klischeebild des armen Flüchtlings geprägt und beeinträchtigt wird. Treten Flüchtlinge sehr selbstbewusst auf, kann das zu massiven Aggressionen bei den Betreuern führen, da ihre Schützlinge nicht dem vorgefertigten Opferbild entsprechen." Wesentlich verstärkt werden diese Aggressionen durch die zermürbende Doppelrolle der Flüchtlingsbetreuer als Helfer und Gesetzesexekutoren, die im Spannungsfeld zwischen den Bedürfnissen der Flüchtlinge und ihrem eigenen humanitären Engagement einerseits und den zunehmend restriktiven behördlichen Vorgaben andererseits aufgerieben werden: "Klare Aufgabenstellung und konsequente Professionalisierung der Flüchtlingsarbeit könnte einiges verbessern und Re-Traumatisierungen verhindern." (Doris Griesser/DER STANDARD, Print-Ausgabe, 12. 4. 2003)