Die Proteste gegen die Beisetzung des polnischen Präsidentenpaares in der Königsgruft des Wawel-Schlosses in Krakau verschärfen sich. Hatten am Dienstag noch knapp 500 Menschen vor dem Bischofssitz in Krakau demonstriert, waren es am Mittwoch schon 2000: "Nicht auf dem Wawel! Krakau sagt Nein!" Mehr und mehr Städte schließen sich an. Auch in Warschau, Posen, Breslau und Lodz gehen Menschen auf die Straße. Dabei herrscht bis Sonntag noch Staatstrauer.

Auch immer mehr Prominente in Polen kritisieren die "übereilte Entscheidung" von Kardinal Stanislaw Dziwisz. So der Filmregisseur Andrzej Wajda, der Historiker Wladyslaw Bartoszewski, die Philosophin Magdalena Sroda. Ex-Präsident Lech Walesa ist so verärgert, dass er nicht einmal zur Beerdigung Kaczyñskis nach Krakau fahren will. Dabei werden Staatsgäste aus der ganzen Welt erwartet, unter ihnen die Präsidenten Serbiens und des Kosovo, Boris Tadić und Fatmir Sejdiu, die in Krakau zum ersten Mal gemeinsam auftreten wollen.

Weißrusslands Präsident Alexander Lukaschenko machte am Donnerstag Lech Kaczyñski direkt für den Flugzeugabsturz bei Smolensk verantwortlich. Wenn der Präsident mit seiner Maschine unterwegs sei und es außergewöhnliche Vorkommnisse gebe, informiere der Pilot den Staatschef persönlich darüber, wurde Lukaschenko von der Nachrichtenagentur Interfax zitiert. "Der Präsident hat das letzte Wort und er entscheidet, ob das Flugzeug landen soll oder nicht, aber die Piloten müssen nicht gehorchen."

Zwei Flugschreiber wurden bereits von den Russen ausgewertet. Ein dritter mit Aufzeichnungen aus dem Passagierraum wird in Polen ausgewertet. Sollte Kaczyñski oder einer der Generäle auf der Landung bestanden haben, müsste dies auf diesem dritten festgehalten worden sein. Polens Regierung hat aber bisher nur zugesichert, das Protokoll des zweiten Flugschreibers - aus dem Cockpit - voll zu veröffentlichen.

Inzwischen haben Politiker der Partei "Recht und Gerechtigkeit" (PiS) deren Chef Jaroslaw Kaczyñski, Lechs Zwillingsbruder, als wahrscheinlichen Kandidaten bei den Präsidentschaftswahlen (voraussichtlich am 20. Juni) genannt. (Gabriele Lesser aus Warschau/DER STANDARD, Printausgabe, 16.4.2010)