Gerngross im neuen Kleid: Während die Mall umgebaut wird, soll die Fassade thermisch saniert und mit Alublech verkleidet werden.

Rendering: LOVE Architecture

Shopping im Zukunftsfieber: Das farbige Leitsystem ist ein Entwurf der Architekten. Bis es zum Vorschein kommt, werden die Mieter noch einige Male umziehen müssen.

(Renderings: LOVE Architecture)

Rendering: LOVE Architecture

Das 1979 nach einem Großbrand wiederaufgebaute Kaufhaus Gerngross in Wien wird derzeit generalsaniert – und zwar bei laufendem Betrieb. Die planerischen und baulichen Mehrkosten, die sich dadurch ergeben, tragen zum Teil die Mieter selbst.

"Gerngross baut auf", heißt es auf dem weißen Baustellengerüst auf der Mariahilfer Straße in Wien. Hinter dem provisorischen Holzverschlag verbirgt sich eine der renommiertesten Shopping-Adressen Wiens – mit einer Verkaufsfläche von insgesamt rund 30.000 Quadratmetern.

Nachdem das Gebäude Anfang 2004 um 112,3 Millionen Euro den Besitzer gewechselt hatte (vormals Palmers-Gruppe), wurde der Beschluss gefasst, das Kaufhaus zu sanieren und neu zu strukturieren. 2005 schrieb die neue Grundstückseigentümerin Deka Immobilien Investment GmbH einen kleinen, geladenen Architekturwettbewerb aus, aus dem das Grazer Büro Love Architects als Sieger hervorging.

Logistische Herausforderung

Laut den Architekten hätte das bestehende Kaufhaus ursprünglich aufgestockt werden sollen. Nachdem einer der Anchor-Mieter seine Ausbaupläne aufgrund der Finanzkrise wieder reduziert haben soll, wurde das Projekt leicht überarbeitet. "Nach anderthalb Jahren Planungszeit konnten wir nun am 11. Jänner 2010 zu bauen beginnen", freut sich Markus Weber, Projektverantwortlicher bei der Deka Immobilien.

Besonderheit des 40 Millionen Euro teuren Bauvorhabens ist die ununterbrochene Aufrechterhaltung des Betriebs. "Grundsätzlich bestand die Möglichkeit, dass jeder Mieter im Haus bleibt", erklärt Günther Meier, Center-Manager bei Jones Lang Lasalle. "Die meisten der 45 Mieter reduzieren ihre Verkaufsfläche während der Bauzeit. Einige wenige Mieter haben sich entschieden, für ein paar Monate zu schließen und das Geschäft erst wieder nach Fertigstellung des Umbaus aufzunehmen."

Welche Schwierigkeiten ergeben sich durch den laufenden Verkaufsbetrieb? "Dadurch dass die Mieter innerhalb des Hauses immer wieder umsiedeln müssen, ist das Projekt nicht nur technisch aufwändig, sondern auch logistisch eine ganz schöne Herausforderung", sagt Rudolf Stürzlinger, Geschäftsführer der Delta Projektconsult GmbH, die für die Generalplanung des Gerngross-Umbaus verantwortlich zeichnet.

Umbau mit Wachpersonal

"Nebenbei darf man nicht vergessen, dass jede interimistisch geschaffene Verkaufsfläche, auch wenn sie nur für wenige Wochen benötigt und dann wieder abgerissen wird, sämtlichen Sicherheitsvorschriften entsprechen muss", so Stürzlinger, "zwischen permanenter und temporärer Retail-Nutzung macht die Wiener Bauordnung nämlich keinerlei Unterschied." Nicht immer gelinge es, bei jeder einzelnen Interimsfläche alle Sicherheitsbestimmungen einzuhalten. In solchen Fällen müsse während der Öffnungszeiten Wachpersonal eingesetzt werden.

Besonders laute und unangenehme Arbeiten mit großer Staubbelastung beziehungsweise Umbauten im Bereich der Allgemeinflächen werden im Zweischichtbetrieb am Rande der Öffnungszeiten des EKZ durchgeführt. "Aufwändige Arbeitsschritte wie etwa die Sanierung und Neuverkleidung von Rolltreppen und Liften müssen wir überhaupt auf Nächte und Sonntage verschieben", meint Stürzlinger.

Neben dem logistischen Aufwand wirkt sich die komplexe Baustellenlogistik nicht zuletzt auf den Zeitplan und auf die Baukosten aus. Während die Deka Immobilien Investment die Zahlen lieber für sich behalten will, vernimmt man vonseiten des Generalplaners: "Die Bauzeit ist mit acht Monaten ohnehin schon extrem kurz bemessen, aber wir denken, dass man ohne laufenden Betrieb nochmals einen Monat hätte einsparen können."

Mieter zahlen mit

Weitaus schwieriger zu beziffern ist der budgetäre Mehraufwand. Stürzlinger: "Ich schätze, dass die Mehrkosten in der Planung und im Bau rund 15 Prozent über denen einer herkömmlichen Baustelle liegen." – Zahlen, die sich in Anbetracht des Umsatzfortganges und der nachhaltigen Modernisierung der Shopflächen durchaus rechnen. Einen Teil der Investitions- und Baunebenkosten tragen nach Auskunft des Bauherrn daher die Mieter selbst.

Wie sich der Umbau des Kaufhauses auf die zukünftigen Mietpreise auswirken wird, will die Deka Immobilien vorerst noch für sich behalten. Die Verhandlungen mit den Interessenten sind noch nicht abgeschlossen. Nur so viel verrät Center-Manager Meier: "Die neu geschaffenen Flächen werden zu den marktüblichen Preisen vermietet." Die Eröffnung ist für Anfang September geplant. (Wojciech Czaja, DER STANDARD, Print-Ausgabe, 3./4./5.4.2010)