In Corbaz' "Hochzeit der Juliana" (1960-1963) steht klar die Frau im Mittelpunkt: Der körperlose Gatte ist nur Accessoire.

Foto: Simon Schmid

Sie entführen in eine romantische Märchenwelt.

Maria Gugging - "Zahlreiche rauchgeschwängerte Nächte bei tosender Musik" hat Johann Hauser für seine Nackte Frau mit Hut "geopfert" , bevor er sie mit der Konturierung des überdimensionalen Hutes finalisierte, erinnert sich Johann Feilacher, künstlerischer Direktor in Gugging, noch genau. Denn auch Feilacher hat seinen Schlaf in diesen Julinächten 1986 für die Kunst geopfert. Hauser (1926-1996) malte nicht gern allein, sondern lieber mit Zuschauern.

Zwei Wochen später begann Hauser mit der Blonden Frau, und einige Zeit später folgte auch die dritte seiner Huldigungen des Weiblichen: Die Nackte Frau mit rotem Haar, farblich sehr reduziert und mit erstaunlich viel freibleibender weißer Fläche. Feilacher: "Plötzlich - eigentlich für mich noch unerwartet - brach er seine Arbeit ab" und bemerkte, die Zeichnung sei vollendet.

Zähnefletschende Königin

Es sind diese drei großformatigen Blätter, in den 1980er-Jahren in London verkauft, die den Anlass für die Präsentation Hausers Frauen gibt. Eine Wiener Privatsammlung kaufte die drei Werke jüngst an und stellte sie dem Museum nun als Leihgaben zur Verfügung. Auf den ersten Blick wirken die in Blei- und Farbstift gefertigten Frauenbilder Hausers aber etwas bedrohlich; die starke Konturierung der Münder lässt diese Gesichtspartie manchmal sogar männlich erscheinen, denn sie ähneln fast einem Bart.

Und auch seine Königin (1978) ist mit ihrem zähnefletschenden breiten Grinsen respekteinflößend. Dazu offenbart sie, den bunten Umhang aufreißend, ihre königliche Nacktheit: Brüste, Nabel und Scham, die wiederum ein Gesicht, geradezu eine Maske formen. Der gefährliche Eindruck von Hausers Frauengestalten verliert sich allerdings nach und nach. Seine Negerin mit Tiroler Hut ist mit ihren ausladenden Formen und ihrer - wie in vielen anderen Darstellungen - Mehransichtigkeit entzückend. Und obendrein ein wenig komisch.

Hauser liebte die Frauen: Eine Fotografie von 1987 zeigt ihn posierend mit einer billigen Pin-up-Skulptur, die er überteuert erstanden hatte. Aber in der Zeit, in der der manisch-depressive Künstler "gut eingestellt" war, unterhielt er auch Beziehungen mit Frauen aus Fleisch und Blut. In seinen Zeichnungen stellt Hauser die Frauen in übersteigerter Üppigkeit dar:Nicht nur die primären weiblichen Geschlechtsmerkmale wachsen sich in seinen Zeichnungen zu gigantischer Größe aus; auch alles, was sonst eine Frau aus- und erotisch macht - Busen, Haare oder auch ihr Hut! - schwellen ins Extreme an: Raketenbrüste und Vulven, von der gleichen Farbe wie Blicke ins Höllenfeuer. Hüte wie Rettungsboote.

Eine schillernde Figur

Stark erotisch aufgeladen sind auch die Frauenfiguren von Aloïse Corbaz (1886-1964): Ihre epischen Bilder lassen in ein schillerndes Fantasieleben eintauchen. Corbaz zählt zu den bekanntesten und wichtigsten Frauen unter den Art-Brut-Künstlern; Jean Dubuffet hat ihre von Romantik durchdrungenen und detailreichen Arbeiten gesammelt und bereits 1948 in Paris im Kunstkontext ausgestellt. 85 Blätter der Schweizer Künstlerin werden nun im Museum Gugging gezeigt: ein sinnlicher, heiterer Genuss.

Eine von ihrer Schwester durchtriebene Romanze Aloïses mit einem ehemaligen Priester ließ die 25-Jährige nach Deutschland gehen. Dort arbeitete sie am Hof Wilhelms II. als Lehrerin und Gouvernante. Auf Schloss Sanssouci in Potsdam träumte sie sich allerdings immer mehr in die Welt des Adels und steigerte sich in eine fiktive Liebesaffäre mit dem Kaiser hinein, die irgendwann - ebenso wie Vegetarismus und politisches Engagement - wahnhafte Züge erhielt. Von 1918 bis zu ihrem Tod verbrachte sie ihr Leben in der Psychiatrie.

Schon sehr bald begann Corbaz - zunächst im Geheimen - zu zeichnen und Gedichte zu schreiben. Die Zeichnungen jener Zeit ähneln extravaganten Modeentwürfen: Auffälliger Kopfputz und Details wie Schmuck fallen auf; Gläser und Handspiegel weisen auf das Leben im Luxus hin. Auch die pupillenlosen, wie blind erscheinenden himmelblauen Augen, die ihre späteren Bilder dominieren, sind bereits zu sehen. Später werden ihre Zeichnungen von leuchtender Farbigkeit (viel Rot, Gelb und Himmelblau) immer dichter, sind bis zum Bildrand mit Ornamenten oder Blumen angefüllt: entblößte Brüste, die mehr und mehr Rosenköpfen gleichen, verteilt sie über das ganze Blatt; Männer verkommen zur schmächtigen Staffage.

Bestimmendes Thema: die Liebe. Zu sehen ist Corbaz häufig selbst, ob nun mit dem Kaiser oder als Hauptrolle in anderen dramatischen Amouren: als Cleopatra mit Caesar, Josephine mit Napoleon oder als Österreichs Sisi inklusive Franz. Auch christliche Ikonografie, insbesondere die thronende Mutter mit Kind, findet sich. Corbaz konnte sich immer mehr in ihren Bildern ausleben: Als sie nach 1950 psychisch sehr stabil war, sprach sie von einer "Wiedergeburt in der Malerei". (Anne Katrin Feßler / DER STANDARD, Print-Ausgabe, 2.4.2010)