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Die Griechenland-Krise könnte weitere Euro-Beitritte in die Ferne rücken, meint Notenbanker Mojmír Hampl.

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Standard: Wenn man heute durch Prag spaziert, hat man nicht den Eindruck, dass Osteuropa kollabiert ist. Vor einem Jahr waren derartige Befürchtungen en vogue. Wie sehen Sie diese Entwicklung?

Hampl: Wir sind froh, dass unsere Bemühungen, die Unterschiede in Osteuropa zu erklären, gefruchtet haben. Viele der Analysten und internationalen Institutionen, die Osteuropa als die Region mit den größten Schwierigkeiten eingestuft haben, irrten sich. Wir haben immer darauf hingewiesen, dass die Instabilität des Finanzsystems ein Problem Westeuropas ist. Das hat sich nun bewahrheitet.

Standard: Ganz so gut stehen die Banken in CEE nun auch nicht da.

Hampl: Im Verhältnis zu den alten EU-Staaten weit besser. Die EU-Kommission hat erhoben, dass nur neun von 27 Mitgliedsstaaten keine Stabilisierung des Finanzsystems vornehmen mussten. Alle neun sind neue Mitgliedsstaaten.

Standard: Wie kam es zur Einschätzung, dass der Osten dem Zusammenbruch nahe sei?

Hampl: Viele internationale Berichte basierten auf einem Missverständnis, das wiederum auf Daten der Bank für Internationalen Zahlungsverkehr zurückgeht. Die BIZ weist die Forderungen ausländischer Banken in einem Staat aus. Man hat nichts anderes getan, als die Bilanzsumme aller Banken mit ausländischen Eigentümern zu summieren und diese Zahl als Exposure auszuweisen. Das hat großes Kopfweh verursacht. Wir mussten dann erklären, dass beispielsweise die Kredite der Èeská Spoøitelna kein Exposure ihrer Eigentümerin Erste Group in Tschechien sind. Die Kredite wurden hier vergeben und sind durch Einlagen mehr als gedeckt. Die tschechischen Banken sind Netto-Gläubiger, nicht Schuldner. Sie finanzieren ihre ausländischen Mutterbanken. Würde dennoch ein Problem auftauchen, würden wir das lösen, und nicht Österreich, Belgien oder Frankreich, die hier am Bankensektor stark engagiert sind.

Standard: Einen wesentlichen Beitrag leistete der Internationale Währungsfonds, der die kritische Einschätzung übernahm.

Hampl: Die Fehlinterpretation durch den IWF war besonders unerfreulich - er musste die falschen Zahlen dann auf unsere Intervention korrigieren. Es ist lächerlich, dass ausgerechnet der Währungsfonds die Krise beschleunigte. Es war offenbar ein systematischer Versuch, ein Bailout einer ganzen Region herbeizuführen.

Standard: Warum sollte er das tun?

Hampl: Vor der Krise gab es so gut wie keine Kunden. Mit der Krise und der neuen Führung unter Dominique Strauss-Kahn fand der Fonds ein neues Betätigungsfeld und erhielt mehr Mittel. Sogar jetzt nach zahlreichen Hilfseinsätzen hat der IWF nicht einmal jene Gelder ausgegeben, die er vor der Aufstockung seiner Ressourcen zur Verfügung hatte.

Standard: Wie hat das auf Tschechiens Finanzmarkt gewirkt?

Hampl: Es gab Auswirkungen auf die Credit Default Swaps (Versicherung gegen den Ausfall von Anleihen, Anm.) und die tschechische Krone sowie auf die Renditen der Staatsanleihen.

Standard: Leidet die tschechische Wirtschaft unter der Unentschlossenheit betreffend Euro-Beitritt?

Hampl: Es gibt keinen free Lunch. Wir bezahlen unsere Unabhängigkeit der Geldpolitik mit stärkeren Währungsschwankungen. Aber insgesamt ist die Bedeutung einer Euro-Mitgliedschaft gering, weil wir die Inflation im Griff haben.

Standard: Was heißt das konkret in Bezug auf einen Euro-Beitritt?

Hampl: Es gibt drei Fragen: Wollen wir beitreten, erfüllen wir die Kriterien, und sind wir willkommen? Mir scheint, dass alle drei Parameter keinen Anlass zur Eile geben. Bei der politischen Willensbildung ist zu beachten, dass vor einem Beitritt zwei Wahlen zu schlagen sind. Und die Nachfrage nach neuen Mitgliedern in der Eurozone hat in der Krise abgenommen. Die Entscheidung über Estland wird hier Aufschluss über neue weitere Beitritte geben. Es könnte komplizierter werden als bei der Erweiterung um die Slowakei und Slowenien.

Standard: Wirken sich die Probleme in der Eurozone negativ auf die Willensbildung in Tschechien aus?

Hampl: Die Krise macht klar, dass es auch für Euro-Mitglieder keinen free Lunch gibt, wie einige fälschlicherweise glauben. In der Währungsunion ist die Gefahr des Rückgangs der Wettbewerbsfähigkeit sogar größer. Einige glauben, wenn sie in der Eurozone sind, können sie verschnaufen. Das mündet dann direkt in das griechische Szenario. Die Gründungsväter der Währungsunion dachten, dass der Euro strukturelle Reformen beschleunigen werde. Das Gegenteil ist der Fall, wie das Beispiel Griechenland zeigt.(DER STANDARD, Print-Ausgabe, 4.2.2010)