Servus TV mit "Talk im Hangar 7"

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Wann haben Sie zuletzt im öffentlich-rechtlichen ORF honorige Professoren im Hauptabend satte 105 Minuten über Astrophysik, Urknall und allerlei Kosmisches reden sehen? Genau das liefert Donnerstag Talk im Hangar 7 auf Servus TV, der neuen Medienspielwiese von Red-Bull-Chef Dietrich Mateschitz.

Einen öffentlich-rechtlichen Sender für den Alpen-Donau-Adria-Raum ersann der Milliardär. Werbung soll später den Aufwand decken, den Kenner weit oben im zweistelligen Millionenbereich ansiedeln. Werbung in trashfreiem, praktisch öffentlich-rechtlichem Programm, das könnten etwa die dritten Programme der ARD gar nicht bieten. ARD und ZDF nicht nach 20 Uhr. SRG und vor allem ORF 2 halt schon.

Der Break even braucht gewiss länger als etwa bei Puls 4. Trotz geplanter Zusatzerlöse aus Programmverkauf, etwa HD-Dokus, auch für den asiatischen Raum. Und trotz öffentlicher Medienförderung, die auch Servus gerade beantragt hat. Der Mateschitz-Sender hat viel im Programm, auf das die Förderkriterien passen. Aber heuer stehen der Rundfunkregulierung  zehn Millionen für alle Privatsender, Radio und TV, zur Verfügung.

Vor der Kamera Österreicher, dahinter Deutsche

Umsetzen sollen die Vision vom werbefinanzierten öffentlich-rechtlichen Privatprogramm Wolfgang Pütz, davor beim Bayerischen Rundfunk (Alpe-Adria-Magazin, im ORF heuer eingestellt), und Martin Blank, zuvor Puls 4. Nicht nur diese beiden Geschäftsführer stammen hörbar aus Deutschland. Österreicher vor der Kamera, dahinter Deutsche: Bei Servus TV kann man den alten Kalauer über das deutsche Privatfernsehen abwandeln - damals lautete die Formel dafür: Vor der Kamera Holländer, hinter der Kamera Österreicher. Und Deutsche geben das Geld - wenn wir uns auch da richtig erinnern.

Blank und Pütz sitzen im ersten Stock eines pastellgrünen Würfels, über Burger King und Babywunsch-Klinik, an Outletcenter und Flughafen, gar nicht weit von Mateschitz' Hangars 7 und 8. Den ersten Stock teilt sich der Sender mit der Welle 1 Salzburg. Der dritte Stock ist schon fix mitgebucht, wenn eine Finanzagentur die Flächen räumt. Servus TV wächst schnell: von 65 Redakteuren ist die Rede im grünen Red-Bull-Tower, von rund 140 Mitarbeitern. 

Ausbaupläne: Nachrichtenmagazin...

Ein Vollprogramm soll Servus TV schließlich werden. Dazu gehören definitionsgemäß Nachrichten, doch die zehnten klassischen Abendnews brauche Servus nicht zu liefern. Blank und Pütz denken an ein Nachrichtenmagazin. Wenn die Nachrichtenagenturen ausreichend HD-Material liefern können für internationale Information, sagen die beiden. Heuer im Herbst, spätestens im Frühjahr 2011, sollte Reuters so weit sein, erwarten die Servus-Macher.

HD, hoch auflösendes Fernsehen, ist für Blank und Pütz und damit wohl auch für Mateschitz eines der wichtigsten Argumente für den Sender. Nur Servus gebe es a) voll in HD und b) ganz gebührenfrei. Die deutschen Privaten nehmen wegen der Werbekrise unverdrossen Anläufe zu einer Monatsgebühr für HDTV via Satellit.

...Bürgersendung, Comedy, Quiz

Blank und Pütz denken aber noch an weitere neue Formate neben dem etwas ferner klingenden Ziel . Die Kategorien Comedy/Kabarett und Quiz wollen sie sich, womöglich noch 2010, vornehmen. Ebenfalls noch in diesem Jahr planen sie eine monatliche Bürgersendung, die mit großen Ü-Wagen durch die Alpen-Donau-Adria-Region zieht. Kein anderer Sender widme sich dieser Region grenzüberschreitend, sehen diese TV-Macher noch einen Vorteil für ihr Projekt.

Vorerst stehen große Miettrucks zweimal die Woche für die aufwändigen Talks vor dem Hangar. Die gewaltige Glasblase am Airport, in der Mateschitz seine Spielzeuge, Kunst und seinen so an die Weltstars der Gastronomie anpassungsfähigen Haubenkoch aufbewahrt, ist, nun, nicht die einfachste Location für eine Fernsehsendung wie den Sporttalk und den Talk. Das Publikum lauscht den Diskutanten über Knopf-Kopfhörer, wegen der schwierigen Akustik zwischen dem spiegelglatten Hangarboden und dem ebensowenig schallschluckenden Glasdach. 

Agenturen für alles

Wer, bitte, kommt unter solchen Bedingungen eigens zu Dutzenden zu einem Talk mit älteren Herren über Astrophysik an die Salzburger Startbahn? In einer entwickelten Fernsehwelt gibt es für alles Agenturen. Für die passenden Gäste für Talksendungen von Barbara Karlich seit- und abwärts, für Dokusoaps, für Shows, und eben auch für Showpublikum. Nur für das Fernsehpublikum, vor allem für Teletesthaushalte gibt es noch keine Agenturen. Sonst wäre Servus TV vielleicht schon etwas weiter als 0,2 Prozent Marktanteil.

Im vierten Stock im grünen Servus-Würfel an der Autobahn, schon ganz dem Mateschitz-Sender gewidmet, ist das  eigene Studio eingerichtet. Mit einer Bluebox, wie man früher virtuelle Studiohintergründe nannte, die längst grün sind. Und, aktueller, eine Studiodekoration mit weit nach hinten versetzter Projektionsfläche. Das gibt optisch jene Tiefe, die sich der Eigentümer auch inhaltlich wünscht.

Der Eigentümer will aber auch Sport, manchmal für die Alpen-Donau-Adria-Region eher ausgefallenen Sport, zum Beispiel die US-Rennklasse Nascar. Das Studiopult aus Trittblech, knallgelben Flächen und Bildschirm für die passende Sendung über amerikanische Autopiloten ist frisch geliefert, halb ausgepackt steht es mitten im Studio.

Urknall Fußball

Praktisch gleich über die Autobahn vom grünen Würfel liegt das graue Red Bull Media House, die Sendermutter, hinter schmalen Fensterschlitzen. Direkt am Salzburger Fußballstadion.

Um Fußball geht es Donnerstag und damit auch um Servus TV - die Bundesliga entscheidet, wer künftig ihre Spiele zeigt. Die Liga brächte den Marktanteil von Servus gewiss rasch in die ganzen Zahlen vor dem Komma (Artikel hier). 

Der gerade wieder zum 1. April ausgelieferte ORF-Bericht, wie die Anstalt ihren Auftrag erfüllt (Artikel hier), weiß nichts von Hauptabendtalks über Astrophysik. Warum nicht könnte Heinz Oberhummer diesmal im "Talk im Hangar 7" erklärt haben, als er sagte: "Vor 50 Jahren wäre das eine interessante Diskussion gewesen." Doch da meinte der Professor den Urknall.

Den eigenen Urknall erwartet Servus eher von der Bundesliga. Doch das ist definitiv noch kein gemähter Rasen für den Mateschitz-Sender. Bleiben Sie dran. (Harald Fidler, DER STANDARD; Printausgabe, 1.4.2010, online ergänzt)