Bild nicht mehr verfügbar.

Sudans Präsident Omar al-Bashir ist vom Internationalen Strafgerichtshof wegen Verbrechen in Darfur angeklagt. Er will seine Macht durch die Wahl legitimieren.

Foto: epa/Phillip Dhil

Bild nicht mehr verfügbar.

Sudans Vizepräsident Salva Kiir tritt als Kandidat für die Präsidentschaft im Süden des Sudan an. Er setzt offenbar auf das Unabhängigkeitsreferendum 2011.

Foto: Reuters/Skye Wheeler
Foto:

Vom 11. April bis 13. April stimmen die Sudanesen über ihre Zukunft ab. Seit dem Friedensabkommen im Jahr 2005 ist der Bürgerkrieg zwar beendet, doch das Land ist gespalten zwischen dem Norden und Süden. Die ethnischen Konflikte schwelen.

***

Schon am frühen Morgen reihen sich die Menschen am Straßenrand auf, um das größte Ereignis des Jahres nicht zu verpassen. In Yambio, der staubigen Provinzhauptstadt im äußersten Südwesten des Sudans nahe der Grenze zur Zentralafrikanischen Republik, passiert selten etwas, und wenn, dann nichts Gutes. An diesem Tag aber soll gefeiert werden: Die regierende Sudanesische Volksbefreiungsbewegung (SPLM) hat die Märkte geschlossen und Schulferien ausgerufen.

Selbst die Hauptstraßen sind gesperrt. Nichts soll die Bevölkerung vom Wahlkampfauftritt des südsudanesischen Präsidenten Salva Kiir ablenken. Die Sonne brennt den Wartenden schon seit Stunden auf die Köpfe, als Kiir schließlich auf der Ladefläche eines Pick-ups vorbei an Lehmhütten, Betonbaracken und Maisfeldern fährt. Jubel brandet auf.

"Wir wollen keine Gewalt während der Wahlen" , ruft Kiir den Tausenden zu, die sich in Yambio versammelt haben. "Jugendliche, wacht auf, diese Wahl ist ein entscheidender Moment für eure Zukunft." Zwanzig Jahre Bürgerkrieg mit dem arabisch-islamisch geprägten Norden haben den schwarzafrikanischen Süden in Trümmern zurückgelassen. Seit fünf Jahren regieren die ehemaligen SPLM-Rebellen im halbautonomen Süden.

Schlechter als im Krieg

Die Meinung über ihre Bilanz ist geteilt: vor allem jenseits der Städte gibt es viele, die sagen, ihr Leben ist schlechter als während des Kriegs. Im Südsudan, einer der unterentwickeltsten Regionen Afrikas, gibt es fast nirgends fließend Wasser oder Strom. Medizinische Versorgung, Schulen und Saatgut für die Felder werden nur durch die wenigen Hilfsorganisationen gewährleistet, die sich in den unwegsamen Busch trauen. "Der Befreiungskampf ist noch nicht vorbei" , ruft Kiir seinen Anhängern zu. "Wir brauchen Einheit in der Partei, um den Kampf vollenden zu können."

Sein Appell richtet sich vor allem an ehemalige SPLM-Politiker, die bei den Wahlen vom 11. bis 13. April als Unabhängige antreten. Diese Kandidaten berichten von Schikanen: In Yambio wurden erst vor wenigen Tagen oppositionelle Anhänger grundlos festgenommen, im nahen Maridi T-Shirts mit dem Bild von Adel Sandrai öffentlich verbrannt. "Wir sind diese Art von Einschüchterungskampagnen inzwischen gewöhnt" , sagt Sandrai, der für das südsudanesische Parlament antritt.

Viele seiner Anhänger seien grundlos verhaftet worden. "Wir wissen von mindestens drei Frauen und vierzehn Männern, die derzeit hinter Gitter sitzen." Der Wahlhelfer Gimi James Waraga soll vor gut zwei Wochen, während er Plakate aufhing, verschleppt worden sein. "Sie haben ihn in eine Zelle gesteckt, ihm alle Kleidung abgenommen und angeordnet, dass er kein Essen bekommen soll" , sagt Sandrai.

Während SPLM-Spitzenpolitiker Präsident Omar al-Bashir und seiner Nationalen Kongresspartei vorwerfen, die Wahl fälschen zu wollen, indem sie Wahlzettel in Khartum statt - wie beschlossen - im Ausland druckt und Wählerlisten zurückhält, gibt es im Süden einige, die die SPLM für Fälschungen verantwortlich machen. "Die SPLM streicht überall da Wähler aus den Listen, wo unabhängige Kandidaten mit einer Mehrheit rechnen können" , sagt ein Wähler, der anonym bleiben will.

Die SPLM dominiert im Süden. In Juba ist aus den millionenschweren Öleinnahmen, von denen die südsudanesische Regierung die Hälfte abbekommt, ein eindrucksvolles Regierungsviertel aus dem Boden gestampft worden. Immer mehr Diplomaten siedeln sich in Juba an, und es gibt einen Supermarkt namens "Jit" , in dem importierte Güter zu haben sind, die vor einem Jahr noch nicht erhältlich waren - von Bier über Schokolade bis hin zu Schreibtischstühlen. Zumindest architektonisch ist Juba auf die Unabhängigkeit bestens vorbereitet, über die im Jänner eine Volksbefragung stattfinden soll. Niemand zweifelt daran, dass mehr als neunzig Prozent der Südsudanesen für eine Loslösung vom verhassten Norden stimmen werden.

Noch nicht reif für Regierung

Unklar ist hingegen, wie diese Unabhängigkeit aussehen soll. "Der Südsudan ist noch nicht reif für eine eigene Regierung" , sagt ein Analyst, der um Anonymität bittet. "Es müssen dringend Absprachen mit Khartum getroffen werden, um einen neuen Konflikt zu verhindern - vorstellbar wäre, dass der Nordsudan weiterhin vom Öl aus dem Süden profitiert und dafür Garantien abgibt, etwa für die hunderttausenden Südsudanesen, die in Khartum und Omdurman leben." Ohne diese Unterstützung, glaubt der Analyst, habe Khartum leichtes Spiel, ethnische Konflikte und Ressourcenkämpfe anzuheizen und im Süden einen neuen Krieg zu entfachen.

Die Rivalität der Dinka und Nuer spitzt sich seit Jahren zu. Doch so schlimm wie in diesem Jahr sind die Ausschreitungen angeblich noch nie gewesen. Vorwürfe, dass Khartum schon jetzt bestimmte Gruppen bewaffnet, um Unfrieden zu stiften, haben deshalb Hochkonjunktur. (Marc Engelhardt aus Juba/DER STANDARD, Printausgabe, 1.4.2010)