Besuch im Labor der Elektrotechnikerin Ayse Adalan (Mitte): Fitore Faiki (re.) und ihre Mentorin Susanne Windischberger (li.) helfen einander, um eine ultrabreitbandige Funkübertragung herzustellen. Und sie haben auch zueinander einen guten Draht gefunden.

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"Mathe macht mir keine Angst", sagt Fitore Faiki lachend. "Ganz im Gegenteil!" Gemeinsam mit ihrer Mentorin Susanne Windischberger lässt sich die Schülerin von Professor Karl Riedling durch die verwinkelten Gänge der Fakultät für Elektro- und Informationstechnik der Technischen Universität Wien führen. Der freundliche Professor mit der großen Brille und dem langen weißen Bart schloss 1972 hier sein Studium ab und hat seither schon viele Interessierte durch die alten Gemäuer geleitet, um ihnen die Vorzüge der TU und so manche Anekdote nahezubringen.

Neugierig betrachtet Fitore die Plakate an den Wänden des Flurs, wo zwischen Schautafeln zu Fachgebieten auch ein flotter Banner hängt, der ausschließlich Elektrotechnikstudentinnen zeigt. Dann begutachtet sie einen leeren Hörsaal mit großen Fenstern und steil aufsteigenden Bankreihen, auf dessen Tafeln sich Formeln und Gleichungen schlängeln. "Mathematik und Physik gehören am Anfang des Studiums zu den Grundlagen, damit alle auf ein Niveau kommen", erklärt Reidling. "Da werden Sie am Anfang nicht viel Neues hören", schmunzelt er in Richtung Fitore.

Ihre Mathematikprofessorin an der HTL TGM Wien war es, die Fitore Faiki davon überzeugt hat, sich doch beim Mentoring-Programm der Initiative "Generation Innovation" (siehe Wissen) anzumelden. "Am Anfang habe ich gezweifelt, ob ich überhaupt Zeit dafür habe", erzählt die 19-Jährige, die vor fünf Jahren vom Kosovo nach Österreich gekommen ist. Weil sie aber noch nicht ganz sicher war, ob sie nach der Schule gleich eine Arbeit suchen oder doch studieren sollte, nahm sie das Angebot an, sich von einer Mentorin unter die Arme greifen zu lassen und "Netzwerke aufzubauen", wie sie sagt.

Sprungbrett

Ebenso gemeldet hat sich Susanne Windischberger, Physikerin und Leiterin der Forschungs- und Entwicklungsabteilung im Bereich Sound Solutions der Firma NXP Semiconductors. Bei der Kick-off-Veranstaltung des Mentoring-Programms im Februar sei das Mädchen vor ihr gestanden und habe mit strahlenden Augen gesagt: "Ich würd so gern Elektrotechnik studieren." Das hat Windischberger, die Lautsprecher für Handys entwickelt, richtig gerührt. Schließlich engagiert sich die "Techwoman 2004" seit Jahren dafür, Mädchen die Scheu vor der Technik zu nehmen, etwa in der Beratungsstelle Sprungbrett, die Schülerinnen bei der Berufsorientierung unterstützt.

Scheu kennt Fitore keine, wohl aber eine gewisse "Angst vor dem Scheitern". "Ich hab schon in der Hauptschule gehört: 'Das ist nichts für Mädchen', wenn ich einen Fehler beim Rechnen gemacht habe." Sie würde Sprüche, die sich über "Frauen und Technik" lustig machen, "eh als Spaß" auffassen, aber: "Es nervt halt." Mittlerweile ist sie daran gewohnt, allein unter Burschen zu lernen: Hatte sie in der ersten Klasse im TGM noch zehn Mitschülerinnen, ist sie jetzt, in der 3. Klasse (Zweig Elektronik) das einzige Mädchen.

An der TU Wien, wo Windischberger ihrer Mentoring-Partnerin einen Einblick ins Studentenleben geben will, ist man sichtlich bemüht, Fitore zu zeigen, dass sie nicht die einzige Frau ist, die sich für Elektrotechnik interessiert. Weil sie mit Telekommunikation – einer der fünf Masterstudiengänge, die man nach dem Bachelorstudium Elektrotechnik absolvieren kann – "am meisten anfangen kann", geht die Tour weiter mit der Universitätsassistentin Ayse Adalan, die drahtlose Mobilfunktechnologien entwickelt. "Wenn man ein Ziel vor Augen hat, studiert es sich leichter", meint Adalan, und führt Fitore durch Bereiche, wo an konkreten Anwendungen geforscht wird.

Soft- und Hardware

Da ist zum Beispiel das Büro von Carolina del Socorro Reyes Membreno, die daran arbeitet, Algorithmen zu finden, damit Sensoren direkt miteinander kommunizieren können. So könnten medizinische Implantate drahtlos mit einem Handy verbunden werden. Sollten die Werte nicht im Normalbereich liegen, würde das Handy sofort Alarm schlagen. Ob man denn während des Studiums programmieren lerne, fragt Fitore. "Ja, alles hat mit Software zu tun", antwortet Adalan. "Das Programmieren hilft dabei, strukturiert denken zu lernen."

Im großteils selbst zusammengebastelten Forschungslabor von Ayse Adalan kann Fitore sich dann selbst an die Hardware machen. Inmitten von Monitoren, Kabeln und mit Transistoren bestückten Platinen zeigt Adalan, wie die Module so verbunden werden, dass eine ultrabreitbandige Funkübertragung entsteht. "Damit könnte man in Zukunft zum Beispiel Radarsysteme entwickeln, mit denen man durch Wände hindurchsehen kann", erklärt Adalan. "Oder auch Verschüttete nach Erdbeben orten. Die hohe Bandbreite ermöglicht, dass zumindest ein Teil des Frequenzbereichs zur Positionserfassung ausreicht."

Fitore Faiki staunt jedenfalls nicht schlecht, was man mit Elektrotechnik alles machen kann. "Ich verstehe zwar noch nicht alles, aber ich kann mir das Studium jetzt viel besser vorstellen", resümiert die Schülerin, die drauf und dran ist, in die Fußstapfen ihres Vaters – ebenfalls Elektrotechniker – zu treten.

Trotz der vielen weiblichen Role-Models, die sie schon kennengelernt hat, wird Fitore aber auch im Studium in der Minderheit bleiben: Von etwa acht Prozent Studentinnen im ersten Semester bleiben am Ende des Masterstudiums lediglich drei bis vier Prozent Absolventinnen. "Die Prägung, ob etwas für Mädchen geeignet ist oder nicht, passiert schon im Kindergarten", plädiert Susanne Windischberger für eine Förderung für ganz junge Mädchen.

Fitore wird erst einmal ein Sommerpraktikum in Windischbergers Firma absolvieren und die Schule abschließen – wohin auch immer sie ihre Leidenschaft für Mathematik verschlägt. (Karin Krichmayr/DER STANDARD, Printausgabe, 31.03.2010)

Wissen

Mentoring

Expertinnen und Experten als Role-Models: Auf dieses bewährte Rezept greift auch das Mentoring-Programm der Initiative "Generation Innovation" zurück, das in diesem Frühjahr zum ersten Mal startete und von Infrastruktur- und Unterrichtsministerium getragen wird. Insgesamt 58 Schülerinnen aus Kärnten, der Steiermark und Wien im Alter zwischen 16 und 19 Jahren gingen in der Pilotphase eine Mentoring-Partnerschaft mit Forscherinnen und Forschern aus Unternehmen und Universitäten ein.

Damit sollen junge Frauen einen praxisnahen Einblick in den Alltag in den verschiedenen Bereichen von Technik und Wissenschaft bekommen sowie bei Berufs- und Studienwahl begleitet und unterstützt werden. Dabei vereinbaren Mentor und Mentee mindestens vier Treffen, zusätzlich gibt es Seminare. (kri/DER STANDARD, Printausgabe, 31.03.2010)