Yara Coca und Angelika Neuner vom Verein Gartenpolylog wollen das seit Jahrzehnten brachliegende Gelände hinter der Ex-Kaserne nutzbar machen.

Foto: Standard/Heribert Corn

Auch "Leute von außen" können Beete pachten.

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Wien - Viele kleine Hügel aus Müll und ein großer Haufen toter Äste sind derzeit das Einzige, was die 800 Quadratmeter vom Rest des verwilderten Areals hinter der Kaiserebersdorfer Kaserne unterscheidet. Yara Coca und David Stanzel vom Verein Gartenpolylog stecken noch mitten in den gröberen Aufräumarbeiten. Demnächst soll aber ein Trupp vom Stadtgartenamt vorbeischauen und den beiden dabei helfen, den Flecken Grün bepflanzbar zu machen.

Auf dem "Macondo" genannten Randgebiet nahe dem Alberner Hafen siedeln sich seit den Siebzigern anerkannte Flüchtlinge an. Erst in der alten Kaserne, dann in neu gebauten Wohnhäusern. Die Freiflächen rundherum ließ man vergammeln. Bis heute befindet sich kein einziger städtischer Mistkübel auf dem Areal - schließlich gehört das Kasernengelände auch dem Bund. Und der zeigt erst seit neuestem Interesse an Verschönerungsmaßnahmen auf diesem Gebiet.

Heuer soll dort erstmals ein Nachbarschaftsgarten entstehen. Unter Anleitung des Vereins Gartenpolylog - der bereits den Gemeinschaftsgarten Heigerlein in Ottakring auf die Beine gestellt hat - können rund 15 Familien Gemüse, Blumen und Kräuter anpflanzen. Nicht nur Flüchtlinge, auch "Leute von außen" sollen mitmachen, sagt Coca: "Wir sind für alle offen." Das Projekt, das das konfliktfreie Zusammenleben der einzelnen Gruppen fördern soll, wird von der Stadt Wien und dem Bund gemeinsam finanziert. 14.000 Euro kommen von Umweltstadträtin Ulli Sima, 5000 Euro von Integrationsstadträtin Sandra Frauenberger, 18.000 Euro von Bildungsministerin Claudia Schmied (alle SP).

Fünf Euro Jahrespacht

Für einen Solidaritätsbeitrag von fünf Euro kann man ein Beet ein Jahr lang pachten. Außerdem soll es eine Reihe von Kulturveranstaltungen geben - in Zusammenarbeit mit der Künstlergruppe Cabula6, die bereits vergangenes Jahr einige Feste und Workshops organisiert hat.

José Villalobos freut sich jedenfalls auf die neuen Nachbarn. Der geborene Chilene, der im Sommer als Bademeister im Laarbergbad arbeitet und in der alten Kaserne wohnt, hat die Parzelle nebenan als Schrebergarten gepachtet. "Ich kenne mich ein bisschen aus mit Gärtnern und helfe gerne" , sagt er. "Er hat zum Glück auch sehr viel Werkzeug" , ergänzt Coca. Viele Macondo-Bewohner haben in den letzten Jahren begonnen, auf eigene Faust Gemüse anzubauen. Seit kurzem verlangt die Bundesimmobiliengesellschaft allerdings für jeden Quadratmeter Pacht - was sich wenige leisten können.

Rund 3000 Menschen leben auf dem Gelände zwischen Simmeringer Haide und Müllverbrennungsanlage. Anfangs siedelten sich Osteuropäer, Vietnamesen und vor allem Lateinamerikaner an - daher auch der Name Macondo: ein fiktiver Ort aus dem Roman Hundert Jahre Einsamkeit von Gabriel García Márquez. Viele, die das Flüchtlingsdorf nur als Zwischenstation sahen, sind bis heute dort geblieben.

Leeres Gebäude

Gleichzeitig kamen bis vor kurzem stets neue Bewohner hinzu. Im Kardinal-König-Integrationshaus wurden Flüchtlinge mit positivem Asylbescheid für ein Jahr aufgenommen. Ende 2009 schloss die Einrichtung allerdings. Seither steht das Gebäude leer. Das Innenministerium überlegt noch, was damit passieren soll. "Es wird in den nächsten Monaten eine Entscheidung geben" , sagt Sprecher Rudolf Gollia. Angedacht war ein Anhaltezentrum für Familien, die abschoben werden sollen.

Der Verein Gartenpolylog will jedenfalls mindestens fünf Jahre bleiben - und vielleicht vergrößern. "Wir schauen jetzt erst einmal, wie es heuer läuft" , sagt Coca. "Nächstes Jahr kommen vielleicht ein paar neue Beete dazu." (Martina Stemmer, DER STANDARD - Printausgabe, 31. März 2010)