Heinz Gärtner: "Ein Zusammenhang zwischen Offensiv- und Defensivwaffen ist schwer abzustreiten – den gibt es seit Schwert und Schild."

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Dmitri Medwedew muss alte SS-19-Raketen deaktivieren.

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Der B-2-Bomber (hier mit US-Vizepräsident Joe Biden) bleibt im Dienst.

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US-Präsident Barack Obama hat am Freitag bekanntgegeben, dass er und sein russischer Amtskollege Dmitri Medwedew ein Nachfolgeabkommen zum START-Abrüstungsvertrag unterzeichnen werden. Dann fehlt nur noch die Ratifizierung in den Parlamenten beider Länder. Obama braucht dafür neben den Stimmen der Demokraten die sieben republikanischer Senatoren. Überraschend war, dass der umstrittene US-Raketenschutzschild in dem Dokument nur am Rand erwähnt wird. Rüstungsexperte Heinz Gärtner erklärt im Gespräch mit Berthold Eder, was dahintersteckt.

derStandard.at: Der neue Vertrag sieht vor, dass die Nukleararsenale gegenüber dem Moskauer Abkommen 2002 um 30 Prozent reduziert werden sollen. Allerdings sind die US-Anlagen SANDIA und PANTEX, in denen ausgediente Sprengköpfe recycelt werden, auf Jahre ausgelastet. Was geschieht mit den Waffen, die nun reduziert werden?

Heinz Gärtner: Im Abkommen steht nirgends, dass Sprengköpfe vernichtet werden müssen. Die Waffen dürfen nur nicht einsatzbereit sein. Die Sprengköpfe werden also getrennt von den Trägersystemen eingelagert, können bei Bedarf aber wieder aktiviert werden.

derStandard.at: Wie wird die Abrüstung überprüft?

Gärtner: Der neue Vertrag sieht für jede Seite je zehn unangekündigte Inspektionen einsatzbereiter Raketen, acht Besuche in Lagern für Sprengköpfe und den Austausch telemetrischer Daten von fünf Testflügen pro Jahr vor.

derStandard.at: Im aktuellen Vorschlag werden nur 60 der 111 atomwaffenfähigen US-Bomber als einsatzbereit ("deployed") gelistet, ein Bomber, der bis zu 20 Bomben oder Cruise Missiles transportieren kann, wird als ein Sprengkopf gerechnet. Welche Vorteile hat die russische Seite von der neuen Übereinkunft?

Gärtner: Die Russen müssen aus finanziellen Gründen ohnehin einen Teil ihrer Trägersysteme deaktivieren. Deshalb können Sie diese Reduktion als Erfolg bezeichnen.

derStandard.at: Ist die Reduktion der Trägersysteme (also auch der Bomberflotte) in den USA innenpolitisch durchzusetzen? Obama braucht 67 Stimmen, ist also auf die Unterstützung zumindest von sieben republikanischen Senatoren angewiesen.

Gärtner: Der Vertrag ist für die USA äußerst günstig, weil die meisten Forderungen bereits erfüllt sind und eine Wiederaufnahme der Inspektionen russischer Nuklearanlagen ermöglichen. Man hat allerdings schon bei der Debatte um die Gesundheitsreform gesehen, dass sich die Republikaner nur darin einig sind, dass sie Obamas Programm ablehnen und ihm keine Erfolge gönnen. Obwohl mehrere republikanische Senatoren die Abrüstungsbestrebungen unterstützen, könnte es schwierig werden, den Vertrag durch den Senat zu bekommen.

derStandard.at: Warum sollte ein republikanischer Senator, der sich im November der Wiederwahl stellen muss, dafür stimmen, dass Obama "die Sicherheit der USA an die Russen verkauft"? Wird nukleare Abrüstung vor den Midterm Elections im November zum Wahlkampfthema?

Gärtner: Das Argument, dass Abrüstungsverpflichtungen die Weiterentwicklung von Waffensystemen behindern, wird sicher kommen. Auch die Zusage, dass sich beide Seiten bei der Entwicklung strategischer Abwehrsysteme zurückhalten sollen, wird heftig kritisiert werden.

derStandard.at: Wie konkret sind die Pläne, Abwehrsysteme in Bulgarien und Rumänien zu stationieren? Vize-Außenministerin Ellen Tauscher sagt, dass die ersten Raketen ab 2011 im Mittelmeer und dann 2015 in Rumänien und 2018 in Polen stationiert werden sollen, die Radarstandorte sind noch nicht fixiert.

Gärtner: Die Russen brauchen zwar keine Angst vor den taktischen Abwehrraketen haben, die Obama rund um den Iran und in Südosteuropa plant. Ein Umbau dieser Systeme, um gegen russische Raketen vorgehen zu können, ist allerdings technisch möglich, und ein Zusammenhang zwischen Offensiv- und Defensivwaffen ist schwer abzustreiten – den gibt es seit Schwert und Schild. (derStandard.at/31.3.2010)