Robert J. Zimmer, Präsident der University of Chicago, auf Besuch in Wien. Auch seine Universität muss sparen, von Hörsaal-Besetzungen ist man allerdings weit entfernt.

Foto: UChicago

Robert J. Zimmer hat Glück. Die University of Chicago, deren höchster Repräsentant er ist, verfügt über ein Budget, das sämtliche österreichische Rektoren vor Neid erblassen lässt, und über einen Ruf, der zu Top Ten Plätzen in weltweiten Hochschul-Rankings geführt hat. Zusätzlich hat die Uni die meisten Nobelpreisträger der Vereinigten Staaten hervorgebracht. derStandard.at sprach mit ihm anlässlich seines Wien-Besuches über die konträren Universitätssysteme in Österreich und Amerika, politisches Engagement unter Studenten und Obamas Bildungspolitik.

***

derStandard.at: Die Finanzkrise hat die amerikanischen Universitäten nicht verschont. Man hört von Personal, das unbezahlt in Urlaub geschickt wird, Studiengebührenerhöhung, die Universität Yale dreht sogar die Heizung herunter, um zu sparen. Inwiefern war auch die University of Chicago betroffen?

Zimmer: Wir mussten das Budget einmalig um 150 Millionen Dollar kürzen, können aber mittlerweile wieder investieren. Es war ein hartes Jahr, jetzt versuchen wir vorsichtig unsere Fakultäten wieder auszubauen.

derStandard.at: Wer kann es sich überhaupt leisten an Ihrer Universität zu studieren?

Zimmer: Für Bachelor-Studenten ist die Studiengebühr sehr hoch, sie zahlen im Jahr 44.000 Dollar. Wir entscheiden, wer an unserer Universität studieren darf, ohne, dass wir davor auf Einkommen und Vermögensverhältnisse schauen. Wer aufgenommen ist und nicht zahlen kann, für den gibt es natürlich finanzielle Unterstützung. Derzeit bezieht mehr als die Hälfte unserer Studenten diese finanzielle Hilfe und muss keine Studiengebühr zahlen. 

Wenn wir also die Gebühren erhöhen, dann betrifft das diesen Teil der Studierenden gar nicht. Im Zuge unserer Budgetkürzungen wurden die Studienbeihilfen nicht angetastet.

derStandard.at: Ist es jetzt in der Wirtschaftskrise für private Universitäten schwieriger als für öffentliche, weil sie von privaten Geldgebern abhängig sind?

Zimmer: Nein, es ist für die öffentlichen Institutionen viel schwieriger. Die meisten privaten Universitäten mussten ernste Budgetkürzungen machen, aber grundsätzlich sind sie in guter Verfassung. Die öffentlichen Universitäten sind unter großem Druck, weil es um die Budgets der Bundesstaaten nicht gut bestellt ist. Deshalb steigen die Gebühren an öffentlichen Universitäten viel schneller. Das Beihilfen-System ist außerdem mit den privaten Universitäten nicht zu vergleichen.

derStandard.at: Tut Präsident Obama Ihrer Meinung nach genug für Bildung und Forschung?

Zimmer: Er will die Forschungsförderungen jedenfalls ausbauen. Die Vorschläge, die er dem Kongress bisher unterbreitet hat, zeigen das. Vor allem der Forschungszweig der alternativen Energien wird massiv gefördert. Obama ist es außerdem ein Anliegen das Pflichtschulwesen zu verbessern. In den Vereinigten Staaten ist die tertiäre Bildung im weltweiten Vergleich sehr gut, das ist beim Pflichtschulwesen nicht der Fall. Die Zustände an den Schulen sind sehr unterschiedlich, vor allem in großen Städten.

derStandard.at: Die Situation in Österreich ist eine völlig andere im Vergleich zu den USA. Die Studiengebühren sind "quasi" abgeschafft worden, der Uni-Zugang ist frei, die Hörsäle sind überschwemmt. Es gibt nicht genug Ressourcen, um angemessene Studienbedingungen zu gewährleisten. Was würden Sie den Politikern und Rektoren raten, um die Situation zu verbessern?

Zimmer: Grundsätzlich dreht sich das alles um die Frage, was eine Gesellschaft für unterstützenswert hält und was nicht. Die Situation wird sich nicht verbessern ohne zusätzliche finanzielle Mittel. Diese kommen entweder von den Leuten, die Gebühren zahlen, oder von Steuereinnahmen des Staates.

derStandard.at: Halten Sie ein freies Universitätssystem ohne Barrieren für sinnvoll?

Zimmer: Dinge, die jedem nützen, sollten auch gratis sein. Beim Schulsystem herrscht Konsens darüber, dass es gratis sein soll, weil jeder in die Schule geht. Wenn aber nur ein Teil an die Universität geht, wird der Rest immer fragen, warum er dafür zahlen soll. Die Regierung kann das Geld nicht zur Verfügung stellen, wenn es keine nennenswerte Unterstützung aus der Bevölkerung gibt. Die Alternative ist dann eben Studiengebühren einzuheben.

derStandard.at: In Österreich wurden vergangenes Jahr Hörsäle über zwei Monate lang besetzt gehalten. Wäre so etwas an ihrer Universität denkbar?

Zimmer: Das ist in der Vergangenheit oft passiert. Während des Vietnam-Kriegs gab es viele Besetzungen im ganzen Land. Das politische Engagement unserer Studierenden hat sich über die Jahre verändert. Viele beschäftigen sich jetzt mehr mit sozialen Problemen im Umfeld, wo sie auch selbst in Organisationen aktiv sind, statt mit den großen weltpolitischen Konflikten. Als ich studiert habe, ging es uns noch darum die Regierung davon zu überzeugen, die Politik zu ändern.

derStandard.at: Mit welchen Anliegen und Problemen kommen ihre Studierenden zu ihnen?

Zimmer: Master-Studenten sind besorgt um ihre finanzielle Unterstützung, speziell in den Geisteswissenschaften. Wir garantieren ihnen fünf Jahre Studienbeihilfe, aber in manchen Fächern dauert es länger eine Abschlussarbeit zu schreiben.

Das Zusammenleben ist natürlich auch immer wieder ein Thema. Unsere Uni liegt im Süden von Chicago und ist umgeben von armen, benachteiligten Stadtvierteln. Wir als Universität müssen hier auch einen Beitrag leisten und Verantwortung tragen, dass sich hier etwas bessert.

derStandard.at: Was vermissen Sie an ihrem ehemaligen Job als Mathematik-Professor?

Zimmer: Diesen magischen Moment, wenn die Dinge klar werden. Manchmal arbeitet man Monate für diesen Moment. Man nimmt sehr viel in Kauf, um das wieder zu erreichen. Es ist ein bisschen wie eine Sucht. Natürlich vermisse ich auch das Diskutieren mit Studierenden und Kollegen. Aber das Leben ist ein Kompromiss, man gibt Dinge auf, bekommt aber auch etwas dafür. (Teresa Eder/derStandard.at, 29.03.10)