60.000 Jugendliche sind burnoutgefährdet, warnen Experten. Ruhephasen und ein guter Draht zu den Eltern können gegenwirken.

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Wien - Katrin kommt nach Hause und sinkt ins Sofa. Sie kann nicht mehr. Den ganzen Tag war sie unterwegs, nach der Schule zur Nachhilfe und dann den kleinen Bruder vom Kindergarten abholen. Katrin muss wieder los, bald beginnt der Tanzkurs, und lernen sollte sie auch noch. Eigentlich ist sie völlig kaputt, doch sie ist fest entschlossen, ihren Tagesplan einzuhalten.

Schon seit längerer Zeit fühlt sie sich erschöpft. Tagsüber ist Katrin für ihr Umfeld da und übernimmt viele zusätzliche Aufgaben. Auch in der Nacht schafft sie es nicht, völlig abzuschalten. Unbewusst verdrängt sie ihre körperlichen Probleme und kann sich ihre anhaltende Gereiztheit nicht erklären. Die 17-Jährige leidet an typischen Symptomen des Burnouts.

"Früher kannte man dieses Krankheitsbild aus Managerkreisen, heute ist Stress eine Volkskrankheit", sagt Brigitte Bösenkopf, Generalsekretärin der Arbeitsgemeinschaft für Präventivpsychologie (APP). Leistungsdruck und ein voller Terminkalender würden Heranwachsende immer mehr belasten und könnten bei wachsender Überforderung zu einer tiefgreifenden Diagnose führen. Laut Zahlen der APP steht derzeit jedes dritte Kind über zehn Jahren massiv unter Druck, rund 60.000 Schüler sind burnoutgefährdet, weitere 150.000 zumindest temporär stark belastet.

Ignoranz und Isolation

Die Entstehung des Burnouts läuft stufenweise ab und wird anfangs oft nicht bemerkt. Kennzeichnend ist ein hoher Ehrgeiz der Schüler. Wird dieser von Druck seitens der Eltern und einem Drang der Jugendlichen, sich in der Erwachsenenwelt zu beweisen und Anerkennung zu erlangen, begleitet, könne es in Summe schnell zu viel werden. Die Betroffenen ignorieren ihren psychosomatischen Zustand, bis sie langsam beginnen, sich zurückzuziehen. Gefühle des Versagens sind die Folge. Werden zu diesem Zeitpunkt weiterhin keine Maßnahmen gesetzt, besteht die Gefahr eines Zusammenbruchs, der den Jugendlichen ihre Perspektiven nimmt und eine Rehabilitationszeit von bis zu eineinhalb Jahren notwendig werden lässt.

Bei den Konsequenzen des Burnouts gibt es Unterschiede zwischen den Geschlechtern. So zeigt eine finnische Studie, die im letzten Jahr 1800 Schüler und Schülerinnen am Beginn der Oberstufe befragte, dass Mädchen tendenziell versuchen, alle Anforderungen des Schulalltags mit Perfektion zu bewältigen, während Burschen angesichts eines immer größer werdenden Aufgabenpensums meist eine negativ-zynische Haltung einnehmen.

Erwartungen erfüllen

Dass Mädchen häufiger burnoutgefährdet sind, betont auch Sabine Fabach vom Institut Frauensache (siehe Interview): "Frauen übernehmen viel mehr Aufgaben, sagen zu allem Ja und wollen alle Erwartungen super erfüllen. Zum Schluss haben sie eine Fülle von Tätigkeiten, die sie in 24 Stunden nicht bewältigen können."

Das Nachhilfeinstitut LernQuadrat startete nun zusammen mit der APP eine Initiative gegen dieses Phänomen. Entspannungsworkshops und Tipps von Experten sollen die Schüler dabei unterstützen, Anzeichen von Überlastung zu erkennen und Stress vorzubeugen. Erste Reaktionen auf das Projekt fielen "sehr positiv" aus, sagt LernQuadrat-Leiter Konrad Zimmermann. "Wir haben viele Anfragen bekommen, die uns zeigen, wie wichtig es war, dieses Problem aufzuzeigen und Lösungen anzubieten."

Bei dem Pilotprojekt an der Fachschule in Sooß konnte die APP zeigen, dass einfache Entspannungsübungen - auch vonseiten der Lehrer - effektiv eingesetzt werden können. Mittels Biofeedback wurden die Stresswerte der Schüler gemessen und sichtbar gemacht. In fünf Trainingseinheiten wurden Antistress-Techniken erlernt, die sich etwa auch vor Schularbeiten anwenden lassen.

Doch nicht nur der schulische Stress mache das Problem aus, erklärt Zimmermann. Es fließen viele andere Faktoren, wie etwa der Freizeitstress, ein. Denn Jugendliche würden sich selbst in ihrer Freizeit oft zu viel zumuten. Hinzu käme der Erwartungsdruck der Eltern - schließlich sollten "die Kinder funktionieren". Dies könne auf Dauer nicht gelingen - Ruhepausen seien essenziell.

Reden, reden, reden

Dafür sei wiederum die Kommunikation zwischen Eltern und Kindern wichtig. In zehn "Geboten" zeigt das LernQuadrat, wie man Burnout vermeiden kann. Neben Bewegung und der Pflege vielfältiger Interessen steht "Reden, reden, reden" an oberster Stelle. Ein "offenes Verhältnis" sei von Bedeutung für ein gesundes Leben, so Zimmermann.

Gleichermaßen könne ein sicheres Freundesnetz den Stress abfangen. Sich nur kleine Ziele zu stecken, die eigenen Ansprüche herunterzuschrauben und Mut zur Schwäche zu beweisen verhindere Frust und Rückschläge auf dem Weg aus dem Burnout. (Nermin Ismail, Magdalena Legerer/DER STANDARD, 24.03.2010)