In der Montessori-Schule in Floridsdorf eignen sich die Schüler den Stoff selbst an. Manche Lehrer erfüllen laut Unterrichtsministerium die Standards nicht.

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Die Lernmaterialien müssen sich die Schüler selbst holen. Auch die Unterrichtsmaterialien werden bemängelt.

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Die Montessori-Schule in Floridsdorf geht ihre eigenen Wege. Es gibt keine Klassenzimmer wie in regulären Schulen, sondern einen Stilleraum, einen Aktivraum und andere Zimmer, in denen die Schüler den Lehrstoff so selbstständig wie möglich lernen sollen. Vor einigen Wochen wurde der Privatschule das Öffentlichkeitsrecht entzogen. Das bedeutet, dass die Schüler extern Prüfungen ablegen müssen, die Schule selbst ist dazu nicht mehr berechtigt. 

Unterschiedliche Auffassungen

Warum es dazu kam und ob der Schritt des Ministeriums gerechtfertigt ist, dazu gibt es die unterschiedlichsten Meinungen. "Wir haben seit zehn Jahren das Öffentlichkeitsrecht, jedes Jahr wurde die Schule inspiziert und das Öffentlichkeitsrecht zuerkannt", erklärt die Direktorin der Schule, Brigitta Weninger im Gespräch mit derStandard.at die Situation aus ihrer Sicht.

Eine Erklärung für den "plötzlichen" Schritt sieht sie in der Person des neuen Landesschulinspektors Michael Sörös. "Wir haben jetzt einen Landesschulinspektor, der findet, dass wir es unseren Schülern zu leicht machen. Der hat die Schule neu übernommen, er versteht das System nicht", glaubt sie. Der Landesschulinspektor sei nur eineinhalb Stunden in der Schule gewesen, bevor er den Bericht geschrieben hat, in dem er dem Unterrichtsministerium empfahl, das Öffentlichkeitsrecht zu entziehen.

Ministerium: "Empfehlungen wurden massiv ignoriert"

Der Sprecher des Ministeriums, Nikolaus Pelinka, sieht das anders. Es habe schon länger Probleme mit der Schule gegeben und man habe immer wieder auf Probleme aufmerksam gemacht, die nicht gelöst worden seien. "Es wurde uns Besserung zugesagt, aber die Empfehlungen wurden massiv ignoriert", sagt er. Man wolle nicht radikal reagieren, aber nun habe das Ministerium endgültig durchgreifen müssen.

"Das Öffentlichkeitsrecht ist wie ein Qualitätssiegel des Ministeriums, wenn wir einer Schule nicht mehr vertrauen können, müssen wir es entziehen", meint Pelinka. Probleme gebe es vor allem mit der Qualifikation der Lehrer und der Qualität der Unterrichtsmaterialien. 

"Wir haben 4000 Lernmaterialien"

Das will die Direktorin wiederum nicht gelten lassen. Die fehlende Qualifikation sei bei zwei Lehrerinnen aus dem Ausland beanstandet worden, die jedoch eine Ausbildung in ihren jeweiligen Ländern gehabt hätten. "Wir haben 4000 Lernmaterialien", entgegnet sie auf den Vorwurf der mangelhaften Unterrichtsmaterialien. 

Vorangegangen war dem Entzug des Öffentlichkeitsrechtes auch ein Artikel im "Kurier". Darin ist von Eltern die Rede, die sich über die "Zustände" an der Schule beschwerten. "Zwei Eltern wollten gegen die Schule vorgehen", erklärt die Direktorin die Situation. Für sie ist das unverständlich. Wenn man mit pädagogischen Maßnahmen einer Schule nicht einverstanden sei, könne man ja auch das Kind einfach von der Schule nehmen, findet Weninger. 

Viele Eltern sind sehr zufrieden

Tatsächlich gibt es viele Eltern an der Schule, die sehr zufrieden mit dem Angebot sind. "Die Berichterstattung zeigt für mich ein vollkommen falsches Bild der Schule", schreibt Heidemarie Strahser, Mutter eines 15-jährigen Schülers in einem Brief an Bildungsministerin Schmied. Ihr Sohn sei in der öffentlichen Schule sehr frustriert gewesen und habe ständig Angst gehabt, wieder zu versagen. "In der Montessori-Schule lernte er Schritt für Schritt, sich wieder selbst zu vertrauen und an sich zu glauben. Mit jedem kleinen Erfolg wurde sein Wunsch nach mehr größer. Heute ist er selbstsicher und muntert alle auf", schreibt sie weiter.

Im Gespräch mit derStandard.at erzählt sie, dass sie sich nun um ihren Sohn sorgt. Es sei schlimm, dass ihr Sohn jetzt wieder Angst vor einer großen Prüfung am Ende des Jahres haben müsse. "Für die Kinder wird das System ad absurdum geführt, weil es einerseits heißt, arbeitet frei und in eurem Tempo, aber gleichzeitig ist da hinten die Deadline", sagt sie.

"Bescheid rechtlich nicht haltbar"

Für den Bildungssprecher der Grünen, Harald Walser, ist der Bescheid des Ministeriums rechtlich nicht haltbar. "Der Schule muss die Möglichkeit gegeben werden, Lösungen für die Mängel bis zum Ende des Schuljahres zu finden", sagt er. Tatsächlich wurde die Mängelliste für die Volksschule aber im November erstellt, die Frist lief bereits im Dezember aus. Für die Mittel- und die Oberstufe der Schule wurden gar keine Mängelliste erstellt, sondern nur ein Bericht vom Landesschulinspektor geschrieben.

Für Wolfgang Stelzmüller, den für Rechtsagenden zuständigen Sektionsleiter im Unterrichtsministerium, gilt das Argument der zu kurzen Frist nicht. "Es gab davor schon Fristen, die nicht eingehalten wurden", erklärt er. Außerdem wäre es für die Schüler besser, sich schon im Dezember auf eine Prüfung im Juni einstellen zu können.

Bezirksschulinspektor klagt Ministerium

Nicht einmal die Behörden scheinen sich über die Qualität der Schule einig zu sein. Der zuständige Bezirksschulinspektor Reinhard Dumser sagt im Gespräch mit derStandard.at, dass die Schule "sehr bemüht" war, die Mängel in der Volksschule zu beheben und dies auch da, wo es in der kurzen Zeit möglich war, getan hatte. Sein Bericht sei vom Ministerium jedoch nicht beachtet worden. Die für Privatschulen zuständige Beamtin Andrea Götz hatte ohne den Bezirksschulinspektor bereits im Dezember ein "Beweisaufnahmeverfahren" durchgeführt.

Das ist nach dem Schulgesetz eigentlich nicht möglich, da Inspektionen nur vom Landeshauptmann oder gemeinsam mit dem Bezirksschulinspektor durchgeführt werden. "Das stimmt schon", sagt Stelzmüller, "aber es ist nich verboten sich ein Bild zu machen, und das war eindeutig". Goetz hatte bei ihrem Besuch der Schule festgestellt, dass die Schule Mängel aufweise, den späteren Bericht des Bezirksschulinspektors beachtete sie nicht.

Klage gegen das Ministerium

"Mir wurden Kompetenzmängel bescheinigt, ich werde runtergemacht, damit ihr Bericht zum tragen kommt", sagt Dumser. Er will das Ministerium nun klagen, weil er sich in seiner Ehre verletzt fühlt.

Stelzmüller versteht die Absicht von Dumser nicht. "Seinem Gutachten wurde sachlich widersprochen", sagt er. "Das ist wie wenn die zweite Instanz bei Gericht der ersten widerspricht, da klagt ja auch nicht der Richter das höhere Gericht". (Lisa Aigner, derStandard.at, 26.3.2010)