Einer, der gerne und leidenschaftlich raucht, auch in Lokalen: Alexander Van der Bellen - Er muss jetzt zähneknirschend den Mehrheitsbeschluss seines Parlamentsklubs akzeptieren

Foto: DER STANDARD/Heribert Corn

Peter Mayr, Lisa Nimmervoll Michael Völker Rosa Winkler-Hermaden

Wien - Oliver Korschil steht auf dem Balkon und raucht. Dieser Balkon ist mittlerweile der einzige Ort im Bundesbüro der Grünen, wo noch geraucht werden darf. Für Korschil kein Problem, sagt er, auch wenn er jetzt leicht fröstelt. Dass die Grünen jetzt für ein generelles Rauchverbot in allen Lokalen sind, findet Korschil zwangsläufig gut: Er ist Kommunikationschef der Grünen und verteidigt diese neue Strategie. "Wir wollen ja niemandem das Rauchen verbieten", sagt er, "es kann ja jeder im Freien rauchen." Das sei jetzt kein Kurswechsel weg von einer liberalen Grundeinstellung. "Wir sind keine Generalverbotspartei", sagt er, "wir sind keine Spaßverderber-Partei." Fast etwas trotzig fügt er hinzu: "Wir haben Spaß!"

Damit das auch alle bei den Grünen so kommunizieren, geht bald nach diesem Gespräch eine SMS an die eigenen Funktionäre: Achtung, der Standard recherchiert, und zur Sicherheit wird gleich eine Argumentationshilfe mitgereicht: Es geht um Gesundheit und Jugendschutz. Dieses "Wording" kann dann jeder ausbauen, wie er will. Korschil sagt etwa: "Für schwangere Frauen und Jugendliche ist es ein Skandal, dass überall geraucht wird. Das Rauchergesetz funktioniert einfach nicht."

Die Bundessprecherin der Grünen, Eva Glawischnig, kündigte am Dienstag einen dringlichen Antrag für ein generelles Rauchverbot in der Gastronomie an. Gesundheitsminister Alois Stöger (SPÖ) soll am 19. Mai einen entsprechenden Gesetzesentwurf vorlegen, fordert Glawischnig. Sie rechnet allerdings nicht, dass ihr Antrag noch bei der Nationalratssitzung am Mittwoch "blitzartig" beschlossen wird. Sie hofft aber auf Bewegung in der Sache und darauf, dass sie eine neue Diskussion lostreten kann.

Bei den Grünen selbst ist die Diskussion durchaus kontroversiell verlaufen, letztendlich habe sich aber eine breite Mehrheit für ein generelles Rauchverbot gebildet, berichtet Korschil.

Einer, der strikt gegen das Rauchverbot ist, ist Alexander Van der Bellen, Glawischnigs Vorgänger als Grünen-Chef und bekennender Süchtler. Van der Bellen raucht. Viel. Aber er ist loyal: "Ich akzeptiere den Mehrheitsbeschluss des Klubs", sagt er.

Der Chef der Vorarlberger Landesgruppe, Johannes Rauch, inzwischen Nichtraucher, glaubt, dass die strikte grüne Linie "für zwei Drittel der Österreicher mehrheitsfähig" ist. Mit der derzeitigen Lösung "sind jedenfalls alle unzufrieden: die Raucher, die Nichtraucher und die Wirte", sagt Rauch. In seinem Bekanntenkreis würden sich viele Raucher finden und auch die hätten mit einem generellen Verbot kein Problem.

Schwererziehbarkeit

Der Tiroler Kurt Grünewald ist der personifizierte Widerspruch. Der Grün-Abgeordnete ist leidenschaftlicher Raucher und leidenschaftlicher Gesundheitssprecher seiner Partei und im Zivilberuf noch dazu Onkologe. Grünewald: "Manche Gesundheitssprecher sagen: Ja, ich bin ein Vorbild. Ich sage: Ich kann nur warnen - macht es nicht so wie ich. Das ist meine Dummheit oder meine eigene Schwererziehbarkeit."

Als Gesundheitssprecher habe er seiner Partei, die ihn natürlich gefragt habe, "grünes Licht gegeben" für die Initiative für ein totales Rauchverbot in der Gastronomie - auch wenn er "ganz militante Maßnahmen nicht für das Mittel für Gesundheitspolitik schlechthin" hält. Dass er sich mit dem von ihm unterstützten Totalverbot für Raucher in Lokalen quasi selbst auf die Straße verbannt, sieht Grünewald locker: "Man trifft da ganz nette Leute."

Auf Facebook mobilisiert eine Gruppe schon länger für ein Rauchverbot in Lokalen. Ziel ist ein Volksbegehren, für dessen Zustandekommen 8000 Unterschriften notwendig sind. Virtuell hat die Gruppe schon mehr als 105.000 Unterstützer. Jetzt sind die Initiatoren gerade dabei, auch die tatsächlichen Unterschriften einzutreiben. Laut eigenen Angaben gibt es bereits 1600 Unterstützungserklärungen.

In den Foren von derStandard.at liefern sich Gegner und Befürworter einen Schlagabtausch. User "donald duck" droht den Grünen: "Und pfutsch ist meine Stimme." User "LosAngelesExile" fordert gar ein generelles Gastronomie-Verbot für Grüne. Aber es gibt auch User, die zufrieden sind: "Dann würde ich sogar, zum ersten Mal in meinem Leben und trotz dutzender Gründe, die gegen die Grünen sprechen, grün wählen", schreibt "D-Ösi". (Peter Mayr, Lisa Nimmervoll, Michael Völker, Rosa Winkler-Hermaden/DER STANDARD, Printausgabe, 24.3.2010)