Ulrike Prattes bekam einen Possanner-Förderpreis.

Foto: P. Spiola

Augenverdrehen und Naserümpfen - diese Reaktionen sind Ulrike Prattes immer wieder aufgefallen, wenn in ihrem Freundeskreis das Wort "Feminismus" fiel. "Auch bei Männern, denen man das nicht zutrauen würde", fügt die 28-jährige Sozialwissenschafterin hinzu.

Darum, und weil sie sich schon länger für das eher wenig beackerte Feld der Männlichkeitsforschung interessierte, wollte sie genauer wissen, was junge Männer über die Frauenbewegung denken. Ihre Diplomarbeit am Institut für Kultur- und Sozialanthropologie mit dem Titel "Junge Männer und Feminismus. Ein sozialanthropologischer Blick auf Männlichkeitskonstruktionen im Kontext Österreichs" wurde kürzlich mit dem Gabriele-Possanner-Förderpreis des Wissenschaftsministeriums ausgezeichnet, der Leistungen auf dem Gebiet der Geschlechterdemokratie würdigt.

Das Preisgeld von 3000 Euro konnte Ulrike Prattes jedenfalls gut gebrauchen. Weil wissenschaftliche Stellen hierzulande "sehr dünn gesät sind", muss sie sich derzeit mit einem Teilzeit-Job als Verkäuferin in einem Schokoladengeschäft durchschlagen. Daneben sei der Preis natürlich auch eine willkommene Anerkennung für die Diplomarbeit, der sie sich zwei Jahre lang widmete.

Darin führte sie feministische Anthropologie mit "Masculinity Studies" zusammen und untersuchte "die Bedeutung der Positionierung zum Feminismus für die Konstruktion von Männlichkeiten". Dazu führte sie drei Gruppendiskussionen mit männlichen Akademikern im Alter zwischen Mitte 20 und Mitte 30 durch, um aus den Meinungen und der Dynamik der Gespräche ihre Schlüsse zu ziehen.

"In der ersten Gruppe, die nur aus Männern bestand, war das Gesprächsklima sehr kompetitiv, es wurde viel gestritten und unterbrochen", schildert Prattes. "In der dritten, gemischtgeschlechtlichen Gruppe war die Atmosphäre erstaunlich entspannt, sodass die Diskussion inhaltlich viel weiter ging." Während die reine Männergruppe bis zum Schluss uneins über die Unterdrückung von Frauen gewesen sei, habe die gemischte darüber geredet, was einen profeministischen Mann ausmache. In der zweiten Gruppe, in der Frauen nur für Technik und Protokoll anwesend waren, habe sich gezeigt, dass den Männern viel daran lag, ein aufgeklärtes Selbstbild hervor zu streichen.

Aus den Gesprächen arbeitete Prattes schließlich Strategien heraus: Von machtkonservierender Verleugnung von Geschlechter-ungerechtigkeit bis hin zu elaborierten Strategien, die feministische Argumentationen verwenden, ohne jedoch an der Geschlechterhierarchie rütteln zu wollen. "Diese Strategien gelten aber auch für Frauen", betont Prattes. "Sowohl bei Männern als auch bei Frauen ist feministisches Engagement absolut in der Minderheit", bedauert sie. "Und es ist meistens nicht hoch angesehen."

Zu den erfreulichen Ergebnissen gehört für Prattes, dass es sie gibt, die profeministischen Männer - und zwar "nicht nur, weil sie solidarisch mit Frauen sind, sondern weil sie sich nicht wohlfühlen in einer Männergesellschaft". Jetzt hofft Ulrike Prattes, die in einem kleinen Ort in der Steiermark geboren ist, bald eine wissenschaftliche Stelle zu finden, um ihren Nebenjob als Schoko-Verkäuferin aufgeben und an ihrer Dissertation arbeiten zu können - gern auch im Ausland. (Karin Krichmayr/DER STANDARD, Printausgabe 24.03.2010)