Termine

Sonntag, 21. März: 19.00 Ramses / Hunde aus Samt und Stahl / 20.45 Manila
Präsentation des Buchs "Romuald Karmakar"

Montag, 22. März: 19.00 Das Frankfurter Kreuz / 20.30 Utopia von Sohrab Shahid Saless
Filme in Anwesenheit und Publikumsgespräche mit Romuald Karmakar und Manfred Zapatka

Mittwoch, 24. März: 19.00 Die Nacht singt ihre Lieder / 21.00 Werkstattgespräch: Sprache
Filme in Anwesenheit und Werkstattgespräch mit Romuald Karmakar mit Hartmut Geerken

Donnerstag, 25. März: 19.00 Eine Freundschaft in Deutschland / Der Tyrann von Turin / 21.15 Werkstattgespräch: Material
Filme in Anwesenheit und Werkstattgespräch mit Romuald Karmakar

Freitag, 26. März: 19.30 Warheads
Film in Anwesenheit und Publikumsgespräch mit Romuald Karmakar

Die Werkstattgepräche sind kostenlos zu besuchen bzw. um 1 EUR Soldiarbeitrag zugunsten der Aktion Kulturpass.

 

Foto: Filmmuseum

Berühmt für seinen kompromisslosen Stil, Menschen vor der Kamera unzensiert und unkommentiert sprechen zu lassen.

ZUR PERSON
Romuald Karmakar, geboren 1965 in Wiesbaden als Sohn einer gebürtigen Französin und eines Iraners. Seit Anfang der 1990erJahre dreht er Dokumentar- und Spielfilme.

Foto: Filmmuseum Diagonale

 Mit Romuald Karmakar sprach Bert Rebhandl.

Standard: Ihr Werk läuft bis 20. März bei der Diagonale in Graz und anschließend im Österreichischen Filmmuseum in Kombination mit einer Retrospektive zum deutschen Film nach 1945. Was bedeutet Ihnen Deutschland?

Karmakar: Ich bin hier geboren, bis auf fünf Jahre habe ich immer hier gelebt und das nie groß problematisiert.

Standard: Vor und nach 1989 gab es eine intensive Diskussion um die deutsche Nation - was kann und darf sie noch sein? Wird sie wieder Großmacht werden wollen?

Karmakar: Das war eher die Sorge der Franzosen und der Briten. Franz Beckenbauer meinte nach dem Turniersieg bei der Fußball-WM 1990 in einem Interview, dass das wiedervereinigte Deutschland im Fußball auf viele Jahre unschlagbar sein werde; tatsächlich zeigt sich immer wieder, dass man die Nationalmannschaft sehr wohl schlagen kann und sie seitdem nicht mehr Weltmeister geworden ist. Die Sorge um das mächtige neue Deutschland entzündete sich nach 1989 aber vor allem an den ausländerfeindlichen Kampagnen, denen ja 30, 40 Leute zum Opfer gefallen sind.

Standard: Deutschland suchte seine Rolle in der Welt, Sie gingen 1991 für Ihren Film "Warheads" mit Söldnern an die Front in Kroatien.

Karmakar: Fünfhundert Kilometer südlich von München begann der Balkankrieg. In Bezug auf Diskurse, wie man zum Krieg steht, hat sich in der Folge hier enorm viel verändert. Im Kroatienkrieg schien für viele anfangs noch klar, wo Gute und Böse sind. Dies wurde immer schwieriger. Ich habe mich in den frühen Neunzigerjahren intensiv mit alldem beschäftigt, etwa mit der Bundeswehr in Somalia. Das taucht später in meinem Film "Manila" auf. Ich weiß noch, wie ich dem damaligen Generalinspekteur der Bundeswehr, Klaus Neumann, zugehört und ein Bedauern herausgehört habe, dass die Deutschen nicht schon im ersten Irakkrieg dabei waren. Damals begann die Neudefinition der Bundeswehr - und damit auch der Nation. Diese Formel "Wollt ihr ein normales Deutschland sein?" wurde von den Verbündeten als freundschaftliche Erpressung benützt, und vielen hier war die "Erpressung" sehr willkommen, um den deutschen Einfluss in der Welt damit voranzutreiben.

Standard: Es wirkt im Rückblick fast verwunderlich, dass Sie nach "Warheads" einen Spielfilm wie "Der Totmacher", mit Götz George in der Rolle des historischen Serienmörders Haarmann, drehen konnten.

Karmakar: Wegen meiner Filme wurde ich immer wieder ins rechte Eck gedrängt, diese Haltung wurde auch auf "Warheads" projiziert. Interessanterweise haben damals aber die großen Zeitungen positiv auf den Film reagiert, vor allem Claudius Seidl im "Spiegel". Das war schon sehr wichtig. Als ich dann mit dem "Totmacher" beim Südwestfunk ankam, musste ich erst mal zur "Gesinnungsprüfung" - ich musste zeigen, dass ich mit dem sensiblen Thema der Homosexualität, die in der Figur des Mörders Haarmann steckt, richtig umgehen kann. Wenn ich an all die jungen Leute und ihre kleinen Fernsehspiele denke: Bei denen käme niemand auf den Gedanken, so einen Vorbehalt zu hegen. Da geht es ja eher darum, ob der Regiestil zu spröde ist.

Standard: Ein Element zieht sich durch Ihre Spielfilme: Beschränkung des Raums auf eine Studioszene. Hat das Methode?

Karmakar: In "Totmacher", meinem Spielfilmdebüt, wollte ich mich auf wenige Figuren und einen überschaubaren Drehort konzentrieren. In "Frankfurter Kreuz", der ein bisschen der Vorfilm zu "Manila" ist, ist der Spielort ein Wasserbüdchen in Frankfurt mit einer Trambahn, die vor der Tür vorbeifährt. In "Manila" sind etwa zwölf Hauptfiguren im Abflugbereich eines Flughafens, direkt davor die Nase eines Jumbos. Mit jedem Spielfilm sollten weitere Elemente hinzukommen. "Die Nacht singt ihre Lieder", beruhend auf einem Theaterstück, kam irgendwie dazwischen - und seither habe ich keinen weiteren Spielfilm gemacht.

Standard: Stattdessen haben Sie das Studiosetting in dokumentarische Filme wie "Das Himmler-Projekt" eingeführt.

Karmakar: Die Menschen glauben, es sei einfach, einen Mann beim Vortrag einer Rede oder einer Predigt zu filmen. Aber je reduzierter eine Anordnung ist, desto präziser müssen die Vorarbeiten sein.

Standard: Deutschland als Nation definiert sich wesentlich über Vergangenheitsbewältigung. Ist das auch, was Sie machen?

Karmakar: Viele Regisseure arbeiten nach Jahrestagen, machen davor und danach was ganz anderes, aber zum richtigen Datum sind sie aufklärerisch. Aktuelle Filme zum Thema Nationalsozialismus verwenden immer noch Formeln der Fünfzigerjahre. Auch beim Thema "Linker Terrorismus" steckt das meiste noch in den Siebzigerjahren fest. Gerd Koenen hat genau beschrieben, wie Gudrun Ensslin mithalf, in rechtsradikalen Zeitungen das Werk Will Vespers - des Vaters ihres damaligen Freundes - zu veröffentlichen. So etwas muss sich im "Baader-Meinhof-Komplex" niederschlagen und nicht, ob jemand von links oder rechts durch die Tür kommt. Oder der Meinhof-Text zum Anschlag bei der Olympiade 72. Die Ergebnisse der NS-Historiografie seit den Neunzigerjahren werden im Film einfach übersprungen. Die Verbrechen der Wehrmacht werden ausgelassen, wir sind gleich bei der Bombardierung von Dresden eingestiegen.  (DER STANDARD/Printausgabe 18.3.2010)