Plakat aus den 70er-Jahren gegen Fremdenfeindlichkeit

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Österreich schottet sich gegen Migranten von außerhalb der EU ab. Die EU-Binneneinwanderung aber nimmt zu. Laut dem Sozialhistoriker Andreas Weigl ähnelt die Situation jener der späten k. u. k. Monarchie

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Für migrationswillige Fremde von außerhalb der EU lasse Österreich zunehmend "die Rollbalken herunter" - so wie derzeit praktisch alle Mitgliedsstaaten der Union, konzediert der Wiener Wirtschafts- und Sozialhistoriker Andreas Weigl. Dennoch: "Zuwanderung findet statt, weil das Land aus ökonomischen Gründen attraktiv ist", erläutert der Gruppenleiter im Wiener Stadt- und Landesarchiv. Nur dass es sich bei den Neuankömmlingen seit mehreren Jahren "in statistisch relevantem Maß, wenn auch von einem niedrigen Ausgangspunkt aus, zunehmend um EU-Binnenmigranten handelt: Deutsche, Spanier, Slowaken, Polen, Rumänen und Bulgaren".

Neue Dynamik ab 2011

So standen laut Hauptverband der Sozialversicherungsträger 2006 bereits 55.000 unselbstständig erwerbstätige Deutsche 54.000 ebensolchen Türken gegenüber. Im Fall der Deutschen mit stark steigender Tendenz, weil EU-Bürger in der Union Freiheit des Personenverkehrs sowie Arbeitsmarktzugang genießen - "und wenn 2011 die Übergangsfristen beim Arbeitsmarktzugang für Bürger der osteuropäischen EU-Staaten fallen, wird sich das Geschehen beträchtlich dynamisieren".

Härtere Auflagen für Aufenthalt

Laut Weigl führt dies, zusammen mit den immer härteren Auflagen für Aufenthalt, Niederlassung und Staatsbürgerschaftserwerb von Nicht-EU-Bürgern, zu einer "paradoxen Situation: Die aktuelle Zuwanderung nach Österreich wird der Zuwanderung in den Wiener Raum während der Spätzeit der k. u. k. Monarchie strukturell immer ähnlicher. Es kommen die, denen man es nicht verbieten kann. In den Jahren 1900 bis 1910 waren das fast alle Untertanen des Kaisers, von Galizien bis nach Tschechien und dem heutigen Bosnien."

Österreich war und ist ein Einwanderungsland

Bei Betrachtung der "langen Linien" der österreichischen Migrationsgeschichte kommt Weigl in einem 2009 erschienenen Buch ("Migration und Integration - Eine widersprüchliche Geschichte", StudienVerlag, 9,90 Euro) zu dem Schluss: "Österreich war und ist de facto ein Einwanderungsland, wenn auch wider Willen", und zwar mit "statistisch eindrucksvollen Kontinuitäten": Der Anteil von Personen in der Wohnbevölkerung, die nicht in Österreich geboren wurden, betrug 2001 laut Volkszählung 12,5 Prozent. 1934 waren es 11,6, 1951 12,2 Prozent gewesen.

Zahl von Einbürgerungen sinkt

Im Sinkflug ist hingegen die Zahl von Einbürgerungen begriffen (siehe unten), die vor allem von Drittstaatangehörigen angestrebt wird. Laut Volksanwältin Terezija Stoisits führt die neueste, seit Jänner 2010 wirksame Staatsbürgerschaftsgesetzesnovelle zu "Härtefällen und persönlichen Tragödien". Grünen-Menschenrechtssprecherin Alev Korun berichtet Ähnliches vom Zugang zu Aufenthalts- und Niederlassungsbewilligungen: "Seit Jänner 2010 wird die Miete auf die Summe, die monatlich vorzuweisen ist, aufgeschlagen. Das schließt sozial Schwache von Aufenthaltsbewilligungen vielfach aus."(Irene Brickner, DER STANDARD Printausgabe 22.3.2010)