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Graz - Mit Hilfe von Pilzen und Bakterien soll die Produktion von qualitativ hochwertigen synthetischen Textilfasern künftig umweltfreundlicher werden. Erste Schritte dazu werden am Grazer Institut für Mikrobiologie und Abfallwirtschaft gesetzt: Dort hat man sich unter anderem im Rahmen eines EU-Projektes auf die Suche nach Mikroorganismen begeben, deren Enzyme die Oberflächenstruktur der Kunstfasern derart verändern, dass sie letztlich ohne den Einsatz sehr giftiger Substanzen zu hochwertigen Endprodukten weiterverarbeitet werden können.

Die Anforderungen, die heute an die Kunstfaserindustrie gestellt werden, sind hoch: Neben hohem Tragekomfort und geringem Pflegeaufwand fordert die weiterverarbeitende Industrie schon seit Jahren eine verbesserte Färbbarkeit der Synthesefasern. "Über allem steht der Wunsch, diese Weiterverarbeitungsprozesse so ökologisch und so effizient wie möglich zu machen und zugleich die technologischen Risiken zu minimieren", so der Grazer Biotechnologe Georg Gübitz im Gespräch.

Natur als Vorbild

Gübitz leitet seit rund einem Jahr ein EU-Projekt (BIOSYNTEX), das in Kooperation mit europäischen Textilfaserproduzenten und mehreren Forschungsinstituten die Verbesserung der synthetischen Textilfasern durch Verfahren zum Ziel hat, in denen man sich die Natur zum Vorbild nimmt. "Für Betriebe, die die Fasern zu Endprodukten verarbeiten, ist eine gezielte Einfügung spezieller enzymatischer Gruppen an der Polymeroberfläche von Interesse, damit beispielsweise auch Anstriche besser haften, beziehungsweise auf Kleber oder andere Haftvermittler verzichtet werden kann", so Gübitz.

Gefunden

Erster Schritt der Grazer Forscher war es, aus der breiten natürlichen Vielfalt an Enzymen jene herauszufiltern, die in der Lage sind, die erwünschten chemischen Reaktionen an der Kunstfaser-Oberfläche in Gang zu bringen. Dabei lag es auf der Hand, am Polymer selbst anzusetzen: In Deponien, vornehmlich für Kunststoffe, ist man tatsächlich fündig geworden. "Wir haben rund hundert Pilz- und Bakterienstämme isolieren können, die in der Lage sind, Polyester, Nylon oder Polyacrylnitril für ihr Wachstum zu nützen", so Gübitz.

Der Forscher geht davon aus, dass diese Organismen Enzyme produzieren, die diese Kunststoffe verändern und schließlich in kleinere Bruchstücke spalten, die dann in die Zelle der Mikroben aufgenommen werden. Anhand eines Modellsubstrat-Versuches konnte Gübitz bereits die Existenz solcher Enzyme in den isolierten Mikroorganismen nachweisen. "Der Einsatz von Modellsubstraten ist notwendig, um geringe Umsätze während der Isolierung analytisch erfassen zu können", so der Biotechniker.

Ergebnisse

Erste Ergebnisse an Modellsubstraten zeigten anhand des Vergleichs der Biomassebildung, des Substratverbrauches und der Bildung von Intermediaten, dass einige isolierten Stämme tatsächlich in der Lage waren, dieses Substrat zu spalten. Sie tun das, um dieses für ihr Wachstum zu nutzen. Nun hoffen die Forscher, dass die Enzymaktivität der Mikroorganismen als Anreger und Beschleuniger (Katalysatoren) chemischer Reaktionen bei der Polymerproduktion dienen könnte.

Die Grazer Forscher haben zunächst spezielle Techniken entwickelt, die zur Quantifizierung der entstandenen Modifikationen dienen: So wurde beispielsweise für die Arbeiten an Polyamid 6,6 als Modellsubstrat Adipinsäuredihexylamid synthetisiert. "An diesem lassen sich die Enzymaktivitäten leichter feststellen, weil hier die Spaltprodukte bereits definiert sind und die Adipinsäure als Methylester und das Hexylamin direkt mittels Gaschromatographie (GC) quantifiziert werden können", erläutert Georg Gübitz. Ausgehend von der Tatsache, dass sowohl Polyamidfasern wie auch das Adipinsäuredihexylamid wasserunlöslich sind und diese Subtanzen somit außerhalb der Zelle gespalten werden müssen, sollte es sich bei den gesuchten Biokatalysatoren um extrazelluläre Enzyme handeln, vermutet Gübitz.

Nachweis

"Tatsächlich konnte mit unterschiedlichen Untersuchungen nach Abtrennung der Biomasse aus Inkubationsansätzen nachgewiesen werden, dass extrazelluläre Enzyme für die detektierten Modifikationen verantwortlich waren", so der Grazer Experte. In gleicher Weise konnte gezeigt werden, dass extrazelluläre Esterasen und Nitrilasen für die Modifikation der Oberfläche von Polyester bzw. Polyacrylnitril verantwortlich waren.

"Diese Erkenntnisse sind ein erster wichtiger Schritt in Richtung Oberflächenmodifikation, wenn man bedenkt, dass bei Kenntnis der Enzymaktivität die Art und das Ausmaß dieser hochspezifischen Reaktionen gesteuert werden kann", betont Gübitz. Weitere Schritte werden bereits gesetzt: Zunächst will man aus der nach wie vor großen Fülle an Enzymen jene isolieren und identifizieren, die am effizientesten arbeiten. Ihre Wirkungsweise soll dann wiederum zuerst an Modellsubstraten und in der Folge auch an der Faser und am Gewebe aufgeklärt werden.

Das Projekt - Hintergrund

An dem EU-Projekt, das bis 2005 läuft, sind Forschungspartner aus Finnland und Portugal aus den Bereichen Mikrobiologie, Bio- und Enzymtechnologie sowie der Polymer- und Textiltechnik eingebunden. Zu den Firmenpartnern zählen u.a. Polymerhersteller aus der Schweiz (Rhodia), aus Portugal (Fisipe), ein tschechischer Weiterverarbeitungsbetrieb (INOTEX) sowie das steirische Unternehmen Sattler in Graz. (APA)