London - Medizinische Fachblätter könnten eine wichtige Rolle dafür gespielt haben, Kritikern die politische Rechtfertigung für einen Angriff des Iraks zu liefern. Diese Frage wirft Ian Roberts, Professor für Epidemiologie und öffentliche Gesundheit an der London School of Hygiene and Tropical Medicine im Fachblatt British Medical Journal auf. Die meisten Menschen in den USA und in Großbritannien seien gegen einen militärischen Einsatz gewesen. Um sie zu überzeugen, mussten sie glauben, dass sie selbst Ziel eines Angriffs sind. Das Schlagwort dafür: Bioterrorismus.

Unabsichtlich haben medizinische Fachmagazine eine wichtige Propaganda-Rolle für die Überzeugung jener gespielt, die diese lesen. Um dies zu illustrieren, vergleicht der Experte die zwischen 1999 und 2002 in fünf großen medizinischen Zeitschriften veröffentlichten Artikel zum Thema Bioterrorismus mit jenen zum Thema Verkehrsunfälle. Bei Verkehrsunfällen sterben weltweit täglich rund 3.000 Menschen, etwa 30.000 Menschen tragen eine körperliche Behinderung davon. In den Jahren 2001 und 2002 übertrafen Bioterrorismus-Beiträge jene über Verkehrsunfälle. Von den 124 Bioterrorismus-Artikeln stammten 63 Prozent aus den USA, der Rest aus Großbritannien. Mit 47 Prozent wurde am eifrigsten im Fachblatt Journal of the American Medical Association JAMA publiziert. Es folgten das British Medical Journal mit 21 Prozent, Lancet mit 16 Prozent knapp vor dem New England Journal of Medicine mit 15 Prozent.

Im Vergleich mit einem Problem, das täglich rund 3.000 Menschen tötet, wurde in den führenden medizinischen Zeitschriften Bioterrorismus überbewertet, sagt Roberts. Er wolle damit nicht implizieren, dass dies ein bewusster Versuch war, die Bevölkerung zu alarmieren. Dennoch könnte es diesen Effekt gehabt haben. "Als Ergebnis könnten medizinische Zeitschriften eine unfreiwillig wichtige politische Rolle in der Rechtfertigung des Irak-Kriegs gespielt haben", resümiert Roberts. (pte)