Für die Kirche in Österreich wird es eng: Entweder man greift tief in die Klingelbeutel, oder es droht der Gang vor den Kadi

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Für den Wiener Anwalt Werner Schostal ist es "einfach eine Schweinerei, was da in den letzten Jahren und Jahrzehnten innerhalb der katholischen Kirche passiert ist". Die deutlichen Worte machen schnell klar, warum der Advokat derzeit intensiv an den rechtlichen Details zu einem Präzedenzfall feilt: Erstmals haben sich jetzt kirchliche Missbrauchsopfer aus ganz Österreich zusammengeschlossen, um gemeinsam rechtliche Schritte gegen die katholische Kirche hierzulande zu unternehmen.

Konkret wurde der Verein "Opfer kirchlicher Gewalt" gegründet, dem aktuell zehn Mitglieder angehören. Der Hintergrund der Vereinsgründung ist ein rechtlicher. Schostal: "Es gibt zwei Varianten: ein 'Sammelklage-Verein', wobei die Mitglieder ihre Ansprüche an den Verein abtreten und dieser dadurch klagslegitimiert ist. Oder es klagen Einzelpersonen nebeneinander, und diese Klagen werden aber letztlich, etwa aus Gründen der Verfahrensökonomie, gemeinsam geführt." Prinzipiell wolle man aber die katholische Kirche in Österreich nicht mit unzähligen Klagen "in die Knie zwingen". Schostal: "Zunächst machen wir einmal die Ansprüche außergerichtlich geltend. Zeigt sich die Kirche nicht kompromissbereit oder sind die angebotenen Zahlungen zu gering, dann bringen wir die Klage ein."

Diese würde sich primär gegen die Schädiger, aber auch gegen die katholische Kirche als "übergeordnete Organisation" richten.

Vonseiten des Vereins "Opfer kirchlicher Gewalt" hat man jedenfalls konkret auch eine Klage gegen zwei Bischöfe ins Auge gefasst: den Eisenstädter Diözesanbischof Paul Iby und den Grazer Altbischof Johann Weber. Hintergrund dürfte sein, dass auch Opfer jenes obersteirischen Pfarrers, der in den späten 1970er- und 1980er-Jahren bis zu zwanzig Kinder und Jugendliche sexuell missbraucht oder belästigt hatte und bis Anfang März im Burgenland tätig war, unter den klagswilligen Vereinsmitgliedern sind.

"Die besten Chancen rechne ich mir aber beim unmittelbaren Schädiger aus. Spannend wird da die Frage der Verjährung: Die strafrechtliche Verjährung, wenn es bei einem sexuellen Missbrauch zu einem Geschlechtsverkehr kam, beträgt 20 Jahre. Wenn jemand strafrechtlich verurteilt wird, dann nur, wenn es noch nicht verjährt ist. Und dann kann man gegen die Person auch zivilrechtlich vorgehen - da verjährt der Anspruch erst nach 30 Jahren". Schostal geht aber davon aus, dass sich unter den "hunderten Opfern", die sich dem Verein anschließen werden, etliche Fälle sind, die noch nicht verjährt sind.

Und es muss vonseiten der Kirche ordentlich Geld fließen, um eine drohende Klage abwenden zu können. Schostal: "Wir lassen uns nicht mit 20.000 Euro abspeisen. Das wäre schlicht und einfach lächerlich. Was diesen Leuten widerfahren ist, ist einfach ein absoluter Wahnsinn. Das muss der Kirche entsprechend Geld wert sein. Im Fall eines jahrelangen Missbrauchs sind 80.000 Euro mehr als angemessen." (Markus Rohrhofer/DER STANDARD, Printausgabe, 20./21.2.2010)