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Föderalismus-Befürworter wie -Kritiker sind sich einig: In der österreichischen Verwaltung ist der Hund drin.

Foto: dpa/Dornberger

Wien - Den dieswöchigen Vorschlag des steirischen Landeshauptmanns Franz Voves (SPÖ), über die Größe der Landtage und das Fortbestehen des Bundesrates nachzudenken, begrüßten manche politische Kommentatoren mit ehrlicher Freude. Eine sinnvolle Sparübung mit Vorbildwirkung, lobten sie Voves. Ein populistischer Wahlkampf-Schmäh und für den Staatshaushalt allenfalls ein kosmetischer Eingriff, fanden die anderen. Nur eines dachten alle gemeinsam: Bundesrat reformieren, Landtage verkleinern - kennen wir schon. 

Und täglich grüßt die Verwaltungsreform

Die großen Einsparungsmöglichkeiten liegen ohnehin in der zwischen Bund, Ländern und Gemeinden aufgeteilten Verwaltung. Wenn Juristen, Rechnungshof-Präsidenten und Politiker nach einer strafferen Verwaltung rufen und die Sparpotenziale der Republik beschwören, dann erinnert das den gemeinen Medienkonsumenten und Bürger wohl an Leerformeln wie "Sicherheit schaffen" oder "Umwelt schützen". Die Diskussion wurde tausendmal geführt, und tausendmal ist nichts passiert. Und täglich grüßt die Verwaltungsreform.

Die von Voves angestoßene Debatte sei "an sich sinnvoll, greift aber viel zu kurz", meint darum der Verfassungsjurist Heinz Mayer zu derStandard.at. Denn es gebe immer noch "sehr viele Schnittstellen, an denen sehr viel Geld verbraten wird". Mayer denkt dabei vor allem an die Schul- und Gesundheitsverwaltung. Die Bundesländer würden etwa immer noch bestimmen, wo Krankenhäuser gebaut werden, ohne über die Landesgrenzen zu blicken. Mayer appelliert, "ohne Scheuklappen nachzudenken, was man auf die staatliche Ebene hebt".

Österreichisches Kompetenzen-Puzzle

Doppelgleisigkeiten sehe auch er genug, allerdings sollte das nicht automatisch heißen, dass ein Bundesland Kompetenzen an den Bund abgibt, hält Peter Bußjäger, Direktor des Innbrucker Instituts für Föderalismus, dieser Forderung entgegen. In der Schulverwaltung würde auch Bußjäger einsparen - "die Bezirksschulräte würde ich ersatzlos streichen" -, allerdings würde der Föderalismus-Befürworter die Kompetenz dann allein in den Landesregierungen ansiedeln - und nicht in der Bundesregierung. Generell, betont Bußwälder, habe der "kooperative Föderalismus" zwischen Landeshauptleuten und Bundesministern in den vergangenen Jahrzehnten "recht gut funktioniert", und in der Debatte werde "immer nur vor Augen geführt, wo es nicht funktioniert".  - Beispiel: jene Krankenhäuser, die in unmittelbarer Nähe voneinander an  Bundesländer-Grenzen stehen.

"Wenn ich Kompetenzen verteile, dann schaffe ich Grenzen", befindet Verfassungsjurist Mayer den real existierenden Föderalismus für überkommen. Sinnvoll fände er es, mehr Entscheidungen auf Bundesebene - also in die Ministerien - zu verlagern und die Gemeinden "als wichten Ansprechpartner für den Bürger" zu stärken. Die Bundesländer könnten sich dann auf die Rolle als "Regionalmanager" beschränken und sich um Fragen der Infrastruktur kümmern. Den Bundesrat stellt er dabei ebenso wie die Landtage zur Disposition.

Der Landesfürst als Verwaltungsbeamter

"Dem kann ich nichts abgewinnen", sagt Bußjäger. Schließlich würden die Bundesländer dann "zu einem bloßen Verwaltungssprengel des Bundes" degradiert werden. Ein Verlust der regionalen Demokratie wäre das, sagt Rechtswissenschaftler Bußjäger. Bürger in bestimmen Regionen hätten dann weniger Möglichkeiten, "Dinge selbst zu entscheiden". Mehr Zentralismus bedeute in vielen Fällen - wiederum Beispiel Krankenanstalten -, die Versorgung nachhaltig auszudünnen.

Die Ansinnen der Föderalismus-Kritiker fallen in den Landeshauptstädten von Bodensee bis Neusiedler See ohnehin auf unfruchtbaren Boden. Geht es um die Abgabe von Kompetenzen waren sich die Landeshauptleute immer schon einig: über Parteigrenzen hinweg ein überhörbares Njet. "Weil die Landespolitiker auf diese Weise halt die Möglichkeiten haben, ihre Leute unterzubringen und Personalpolitik zu machen", kritisiert Mayer.

"Landespolitiker mächtiger"

Und warum zwingt die Regierung in Wien die Bundesländer nicht, manche Zwei- bis Dreigleisigkeit aufzugeben? Realpolitisch fehlt der Bundesregierung die Durchschlagskraft, und den Ministern mangelt es am dafür nötigen Rückhalt ihren eigenen Parteien (die ja wiederum föderal organisiert sind). "Die Bundespolitiker hängen in Wahrheit am Gängelband der Landespolitiker", meint Verfassungsjurist Mayer und nimmt weder SPÖ noch ÖVP aus.

Erst Ende Februar hatte der ÖVP-Bundesparteivorstand medienwirsam den Beschluss gefasst, man werde die Verwaltungsreform jetzt wirklich angehen.
Angesichts der von der Wirtschaftskrise ausgehöhlten Staatsfinanzen sei sie notwendig wie noch nie. ÖVP-Obmann Josef Pröll forderte hierfür einen "nationalen Kraftakt". In Prölls Finanzministerium versucht derzeit eine Arbeitsgruppe - wahrlich nicht die erste -, die Verwaltungsreform zu stemmen. Beobachter rechnen schon jetzt weniger mit einem "Kraftakt", eher mit einem Muskelkater. (Lukas Kapeller/derStandard.at, 19.3.2010)