Schmetterlinge aus der Insektensammlung,...

Foto: Feigl, Sandra Mann, Universität Wien

... eine homöopathische Reiseapotheke aus der pharmaziehistorischen Sammlung...

Foto: Feigl, Sandra Mann, Universität Wien

... und eine historische Samensammlung.

Foto: Feigl, Sandra Mann, Universität Wien

Claudia Feigl hilft dabei, in Vergessenheit geratene Sammlungen zu entstauben, ...

Foto: Feigl, Sandra Mann, Universität Wien

... wie etwa die Fischpräparate des Instituts für Zoologie, die aus der einstigen Außenstelle in Triest stammen.

Foto: Feigl, Sandra Mann, Universität Wien

Die Germanistin Claudia Feigl begab sich auf Spurensuche.

Wer vor hundert Jahren durch das Hauptgebäude der Universität Wien am Ring spazierte, mag sich vorgekommen sein wie in einem Museum. Die Geologie und die Paläontologie etwa protzten mit zahlreichen Schausälen. In Vitrinen lagerten Muscheln und glitzernde Mineralien, von der Decke baumelten Skelette und an den Wänden hingen Hirschgeweihe. Dazwischen standen die Arbeitstische der Studenten, bestückt mit Mikroskopen, Feuchtpräparaten und Modellen. Weder Forschung noch Lehre kamen seinerzeit ohne eine umfangreiche Sammlung aus.

Das war einmal. Nicht in allen, aber doch in den meisten Fächern spielen Sammlungen keine große Rolle mehr, zumal in den Naturwissenschaften die Objekte mittlerweile mikroskopischer Natur sind oder gleich virtualisiert werden. Die Kunsthistoriker haben ihre gewaltigen Diasammlungen digitalisiert.

Heute gibt es auch kaum noch Institute im Hauptgebäude. Die Pflanzenphysiologie etwa übersiedelte schon in den 1980er-Jahren in die Althanstraße im 9. Bezirk und heißt mittlerweile Molekulare Systembiologie. Als Claudia Feigl das Institut besuchte, öffnete man die seit drei Jahrzehnten verschlossenen Umzugskisten, und es kam genau jene außergewöhnliche Holzsammlung zum Vorschein (4000 Stücke aus aller Welt, vorwiegend aus dem 19. Jahrhundert), die sie aus der Literatur kannte. Die Wissenschaft von gestern scheint in Datenbanken und Reagenzgläsern verschwunden zu sein. "Aber die Geschichte, die materielle Kultur ist noch da", sagt Feigl.

Das erkannte die Universität Wien erst vor einigen Jahren, nicht zuletzt weil immer wieder Anfragen von außen nach dieser oder jener Sammlung einlangten – und nicht beantwortet werden konnten. Anfang 2007 lief daher das Projekt "Die Sammlungen an der Universität Wien" an. Es ist an der Universitätsbibliothek angesiedelt und wird von der Germanistin Claudia Feigl durchgeführt, die zuvor schon reichlich Erfahrung im Erschließen von Sammlungen machte.

Nach derzeitiger Zählung verfügt die Uni Wien über 93 Sammlungen, wobei der Begriff Sammlung sehr weit zu verstehen ist. Dazu gehören nicht nur Naturalien und Instrumente, sondern auch Dias, Ton- und Filmaufnahmen, Karten sowie zahlreiche Nachlässe. Die Ägyptische Sammlung besteht "nur" aus etwa hundert Tongefäßen und Schmuckstücken, das "Herbarium am Rennweg" der Fakultät für Botanik hingegen bringt es auf sage und schreibe 1,4 Millionen Objekte. Aber selbst die vermeintlich rein abstrakte Mathematik verfügt über eine umfangreiche Lehrmittelsammlung. Durch das persönliche Engagement zweier Mathematikprofessoren tauchten jüngst gar sechs bislang unbekannte Briefe des berühmten deutschen Mathematikers Carl Friedrich Gauß auf.

Entstaubte Vergangenheit

Die Diversität der Sammlungen ist für Feigl ein Abbild der Hochschule als Universaluniversität – in all seiner Fragilität, aber auch in seiner Dynamik. Sammlungen entstehen, wachsen, werden mit anderen zusammengelegt, geraten in Vergessenheit und werden jetzt wieder entstaubt.

Ihr Zustand ist mitunter betrüblich: Instrumente sind verdreckt, Glasplatten wertvoller Bildaufnahmen zerbrochen, Ethnografica durch Feuchtigkeit von Schimmel befallen. Manche Lehrsammlungen werden noch täglich benutzt, etwa in der Ur- und Frühgeschichte. Das Archiv der Journalistengewerkschaft hingegen vegetiert unsortiert in einem Keller des Publizistikinstituts dahin.

Das Projekt sucht hier Abhilfe zu schaffen. Drei bis vier Termine "vor Ort" absolviert Claudia Feigl jede Woche. Sie trifft sich mit den Verantwortlichen der jeweiligen Institute, schaut sich die Sammlung an, macht Fotos und knüpft an einem Netzwerk: "Manche sind peinlich berührt, weil die Sammlung immer nur nebenher lief. Die meisten sind aber froh, dass sich jemand dafür interessiert."

Denn gerade an naturwissenschaftlichen Instituten hätten die Sammlungsverantwortlichen häufig mit mangelnder Wertschätzung zu kämpfen. Physiker, Chemiker und Biologen arbeiten verständlicherweise am liebsten mit den neuesten Instrumenten. Alles andere ist da nur im Weg, Geräte von gestern sähe man am liebsten entsorgt.

Im Forschungsalltag zählen Drittmittel und impakthaltige Publikationen, nicht kulturhistorische Sensibilität. Die Pharmakognosie etwa hat eine wunderbare Sammlung von Mörsern und Standgefäßen, die zum Teil noch aus dem 17. Jahrhundert stammen, aber keinen Lehrstuhl für Pharmaziegeschichte. Die von Feigl initiierten Treffen – da kommen jedes Semester immerhin um die vierzig Personen zusammen – hatten zunächst auch einen therapeutischen Zweck. Der Sammlungsverantwortliche sah: Er ist nicht allein. Nun aber herrsche Aufbruchsstimmung, sagt Feigl, sowohl bei den Instituten wie auch bei der Uni selbst, die im vergangenen Jahr erstmals ein Budget zur Sammlungserhaltung zur Verfügung gestellt habe.

Und nach dem Auslaufen des Projektes letzte Woche plane die Uni, eine unbefristete Planstelle für die Sammlungen zu schaffen. Denn es sei deutlich geworden, dass hier großer Bedarf bestehe. Claudia Feigl: "Das lässt sich gar nicht mehr abstellen."

Ein Universitätsmuseum ist nicht in Planung. Ihr gehe es nicht darum, das 1001. Museum in Wien zu eröffnen, sagt Feigl: "Ich habe ja selbst auch gar keine Sammlung." Ihr Fernziel sei ein virtuelles Museum, durch das man am Bildschirm flanieren und sich Fossilien, Fernrohre und Münzen in 3-D anschauen kann – vielleicht bis 2015. Dann wird die Alma Mater Rudolphina ja schon 650 Jahre alt. (Oliver Hochadel//DER STANDARD, Printausgabe, 17.03.2010)