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Wer denkt beim Thema Asyl an Diplome, Universitätsabschlüsse und andere akademische Qualifikationen?

Foto: APA/Barbara Gindl

Von Flüchtlingen und Asylwerbern ist allerorts die Rede, aber wer denkt beim Thema Asyl an Diplome, Universitätsabschlüsse und andere akademische Qualifikationen? Solche Assoziationen sind angesichts der Realitäten am Arbeitsmarkt auch schwer zu knüpfen, denn Asylwerber sind erstmal zum Nichtstun verdammt, weil sie neben dem laufenden Asylverfahren über keine Arbeitsbewilligung verfügen. Wenn nach einer oft jahrelangen Wartezeit der heißbegehrte positive Asylbescheid ins Haus (bzw. ins Flüchtlingsheim) flattert, ist es für die anerkannten Flüchtlinge noch ein langer Weg bis zu einem Arbeitsplatz. Nur die wenigsten schaffen es, in ihrem früheren Beruf Fuß zu fassen. 

Kategorie "Asylwerber" tilgt Qualifikationen

Dass zugewanderte (eigentlich "zugeflüchtete") Fachkräfte nicht als Humankapital erkannt und gefördert werden, ist auf mehrere Faktoren zurückzuführen, erzählt Judith Kröll, Wissenschaftssoziologin und Obfrau des gemeinnützigen Vereins "ForscherInnen ohne Grenzen": "Im Rahmen der Wissenschaftsausstellung 'Wahr/Falsch Inc.' im Jahre 2006 haben wir vom Kuratorenteam versucht, das Thema Flüchtling mit dem Thema Akademiker zu kreuzen und ein Schlaglicht darauf zu werfen. Wir haben begriffen, dass das eigentlich ein Tabu ist. Das öffentliche Bild der Asylwerber ist sehr stark vom Phänomen der Kriminalität geprägt." Neben sprachlichen Barrieren ist die Zeitlücke in der beruflichen Entwicklung, die durch Flucht und Asylverfahren entsteht, ebenfalls ein Problem für die adäquate Eingliederung am Arbeitsmarkt: "Ein Arzt, der jahrelang seinen Beruf nicht ausgeübt hat, wird es schwer haben, die neuesten Entwicklungen nachzuholen", so Kröll. 

Asylwerber werden gesellschaftlich häufig als eine homogene Gruppe wahrgenommen, was individuelle Qualifikationen und Berufserfahrungen weitgehend unsichtbar macht. "Diese Menschen kommen nicht aus Karrieregründen nach Österreich, sondern weil sie flüchten müssen. Hier verschwinden sie dann schnell in der allgemeinen Gruppe der Asylwerber. Die Kategorie Asyl stigmatisiert aber die Menschen und tilgt ihre beruflichen Qualifikationen", erklärt Kröll ihre Motivation zur Gründung des Vereins, der Asylwerbern mit akademischem Hintergrund eine Plattform bieten möchte. 

Kommunikation auf Augenhöhe

Im Anschluss an die Wissenschaftsausstellung war es dem Kuratorenteam ein Anliegen, die Arbeit mit den Asylwerbern fortzusetzen. So entstand der Verein "Forscher ohne Grenzen", der derzeit wie ein loses Netzwerk mit wechselnden Kooperationspartnern betrieben wird und auf Spenden und ehrenamtliche Mitarbeit angewiesen ist. Zu den wichtigsten Partnern zählen die Kinderuni, die Technische Universität, die Alte Schmiede und eine Reihe von Unternehmen. Regelmäßig werden Deutschkurse angeboten oder Kursplätze vermittelt; die anderen Vereinsaktivitäten erfolgen eher spontan und bedarfsorientiert. 

Der Verein versteht sich dezidiert nicht als eine Hilfsorganisation: "Wir wollen nicht über die Menschen reden und sie wieder zum Objekt machen", erzählt Kröll. Ziel sei es vielmehr, ein Forum zu schaffen, in dem Kommunikation auf Augenhöhe zwischen Berufskollegen ermöglicht wird. Die Bildung kontinuierlicher Gruppen gestaltet sich schwierig, berichtet die Obfrau: "Es ist nicht ganz einfach, an Menschen mit dem Profil Flüchtling und Akademiker heranzukommen, weil Menschen im Asylverfahren sehr prekär leben und sich nicht exponieren wollen. Die anerkannten Flüchtlinge wiederum müssen durchstarten und sich ganz selbständig organisieren, da bleibt wenig Zeit und wenig Interesse für Vereinsarbeit." 

Österreichische Geschichte der erzwungenen Auswanderung

Bei den Überlegungen zur Vereinsgründung spielte auch eine historische Facette eine Rolle, nämlich die erzwungene Auswanderung vieler Intellektueller aus Österreich in der Nazizeit. Kröll expliziert: "Die Auseinandersetzung mit der österreichischen Geschichte gab uns auch einen Anstoß. Zahlreiche Wissenschaftler, Forscher und Denker mussten auswandern und flüchten. Viele waren im Exil sehr erfolgreich, aber nach dem Zweiten Weltkrieg war es für Österreich offenbar nicht einfach, mit diesen Menschen umzugehen. Jene, die zurückkehren wollten, wurden nicht immer mit offenen Armen empfangen. Oft war das Gegenteil der Fall."