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Die Situation am Jobmarkt ist laut einer aktuellen Studie unsicher - 2015 wird der Jobmarkt aufgrund des Nachwuchsmangels auch in Österreich kippen

Zur Person

Renate Ortlieb ist Professorin für Personal an der Karl-Franzens-Universität Graz

Foto: Karl-Franzens-Universität Graz

derStandard.at: Laut der Allianz Demographic Pulse Studie wird es 2015 erstmals weniger Berufseinsteiger als altersbedingte Aussteiger geben. Immer mehr Menschen gehen früher in Pension, immer weniger Junge rücken nach - das sind die teilweisen Gründe für das Problem. Trifft aber auch die Personalpolitik in den Unternehmen eine Teilverantwortung dafür?

Ortlieb: Unternehmen können vereinzelt Frühpensionierungen vermeiden und durch eine familienfreundliche Personalpolitik günstig auf die Geburtenrate einwirken, aber der Effekt ist insgesamt sehr klein.

derStandard.at: Wie werden Unternehmen mit der Nachwuchslücke umgehen müssen? Reicht es auf die vielen Arbeitslosen zurückzugreifen? Oder lässt sich die Lücke mit MigrantInnen schließen?

Ortlieb: Wie in der Studie selbst erwähnt, ist eine quantitative Lücke weitaus weniger relevant als eine qualitative Lücke. So führen zum Beispiel Produktivitätssteigerungen dazu, dass weniger Arbeitskräfte benötigt werden. Und bereits heute haben Unternehmen eher ein Problem damit, die am besten geeigneten Arbeitskräfte zu finden (und zu halten) als möglichst viele.

Die Beschäftigung von MigrantInnen ist gegebenenfalls eine effektive Lösung. Unternehmen profitieren von der Beschäftigung von MigrantInnen im Übrigen nicht nur dadurch, dass diese Arbeitsmarkt-Lücken schließen. Sondern MigrantInnen können durch ihre Qualifikationen und unterschiedlichen Perspektiven besonders gut zu Produktinnovationen und -verbesserungen sowie zur Erschließung von neuen Märkten beitragen. Aus der Forschung zur personellen Vielfalt (Diversity) in Unternehmen sind diese positiven Effekte auf den Unternehmenserfolg bekannt.

derStandard.at: In Österreich ist nur jeder fünfte zwischen 60 und 64 erwerbstätig. Wie sind Ältere länger und effektiv im Arbeitsleben zu halten?

Ortlieb: Neben Konzepten der Betrieblichen Gesundheitsförderung und des Diversity Managements, die sich auf ältere Beschäftigte beziehungsweise das Zusammenarbeiten von Beschäftigten aller Altersklassen zuschneiden lassen, ist sowohl die persönliche Bereitschaft der Erwerbstätigen als auch die Bereitschaft der Unternehmen, ältere Personen neu einzustellen, notwendig.

derStandard.at: Bringt das Problem auch Gutes mit sich? Wird es in Zukunft sogar zuviele Jobs geben?

Ortlieb: Allgemein lässt sich sagen, dass die Probleme überwiegen würden. Nicht besetzte Arbeitsplätze sind für Unternehmen nachteilig und können je nach Arbeitsorganisation auch zu höheren Belastungen bei der übrigen Belegschaft führen.

derStandard.at: Wie müssen Politik und Wirtschaft zusammen arbeiten, damit der Jobmarkt nicht kippt?

Ortlieb: Eine Kombination aus intensiver Förderung von Familien und Bildung kann sowohl das "Kippen" als auch dessen mögliche negativen Konsequenzen abschwächen.

derStandard.at: Was wäre ein Negativszenario, was ein Positivszenario?

Ortlieb: Ein Negativszenario ist, dass die Politik fordert, die Wirtschaft solle handeln, und die Wirtschaft fordert, die Politik solle handeln. Ein Positivszenario ist, dass die Unternehmen eine familienfreundliche Personalpolitik verfolgen, dass sie ihre Nachwuchskräfte frühzeitig suchen - zum Beispiel in Schulen und Hochschulen - und auch für ältere Beschäftigte geeignete Arbeitsplätze und Weiterbildungsmöglichkeiten anbieten. Die Politik müsste sich zusätzlich zur Familien-, Einwanderungs- und Bildungspolitik um die Sicherung der Pensionen kümmern. (derStandard.at, 16.3.2010)