Vor Gericht sollte tunlichst nicht gelogen werden. Geschieht dies dennoch, so steht ein breiter Katalog von Sanktionen bereit. Stichwort "falsche Zeugenaussage" oder "Meineid". Einzig Beschuldigte oder Angeklagte in einem Strafverfahren erwarten keine Strafen, wenn sie, etwa um eine Verteidigung zu bewerkstelligen, es mit der Wahrheit nicht so genau nehmen. Werden in politischen Kommunikationsprozessen Begriffe wie "eidesstattliche Erklärung" genutzt, dann ist alles anders: Rechtlich sind derartige Erklärungen blanke Nullnummern. Womit wir bereits mitten im Thema Antifaschismus und FPÖ sind:

Wahrheit zu suggerieren zählt zu den Königsdisziplinen am Boulevard und ist ein notwendiges Instrument, um Leser/innen bei Laune und Anzeigenkunden bei der Stange zu halten. Beispiel: Fährt eine Zeitung eine Kampagne und bejubelt eine Kandidatin eines bevorstehenden Wahlkampfes und stellt sich die Kandidatin für das Publikum nachvollziehbar als ungustiöse Kritikerin des Verbotsgesetzes heraus, dann muss bewiesen werden, dass die Wahrheit eine andere ist und die Kandidatin so proper und anständig wie wochenlang getrommelt.

So, als sei es ein alltäglicher Vorgang, forderte Krone-Kapo bzw. -Cato Dichand Barbara Rosenkranz auf, per "eidesstattlicher Erklärung" klarzustellen, dass sie nie und nimmer am Verbotsgesetz zu rütteln die Absicht hätte.

Der der Dichand'schen Order folgende Verlauf der Geschichte ist bekannt, Rosenkranz verliest brav die geforderte Erklärung, FPÖ-Sekretär Kickel begrüßt "unseren Notar" und kündigt an, Rosenkranz werde vor den Augen dieses Notars die Erklärung "an Eides statt unterzeichnen".

Ein Blick in die entsprechende Rechtsliteratur offenbart die Chuzpe des Kandidatinnenmachers und der nach Dichand "guten Bundespräsidentin für Österreich": Die sogenannte eidesstattliche Erklärung der Rosenkranz wird in der Sache keine rechtlichen Folgen haben, denn es gibt (s. o.) nichts, was einklagbar wäre. Rosenkranz kann sich zwar heute per Unterschrift zur aufrechten Antifaschistin ernennen, das Publikum darf - unpassenderweise - lachen, und die Aspirantin kann morgen, wenn es der Herausgeber gestattet, wiederum die Einsicht äußern, das Verbotsgesetz gehöre schleunigst geändert, abgeschafft oder was auch immer. Die eidesstattliche Erklärung von gestern spielt keine Rolle. Und der Herausgeber darf vorspielen, die antifaschistische Welt in Österreich sei wieder in Ordnung.

In der Welt der Kommunikationstechnik wird eine derartige Vorgangsweise schlicht als Desinformation bezeichnet. Zur Gruppe der Werkzeuge, die dazu dienen, Aussagen einen unumstößlichen Wahrheitsgehalt zu verschaffen, gehört auch die "notarielle Erklärung". In diesem Fall begibt sich Herr oder Frau X zu einem öffentlichen Notar, erklärt dort, dass der Himmel dottergelb sei und der Notar bestätigt lediglich, dass Herr oder Frau X zugegen war und eigenhändig unterschrieben hat.

Es ist nicht die Aufgabe des Notars, den Wahrheitsgehalt der Aussage zu überprüfen. Die notarielle Bestätigung über die eigenhändige geleistete Unterschrift bietet keine Gewähr dafür, wie lange diese Aussage gilt, morgen schon kann alles ganz anders sein und eine neue Erklärung auf dem Tisch liegen.

Begriffe wie "Eid" oder "Notar" klingen gut und werden von einem großen Teil der Kundschaft des Boulevards nicht hinterfragt. Das wissen selbstverständlich auch Herausgeber. Rosenkranz kann sich sicher fühlen: Sie hat keinen Eid geschworen - es heißt bloß "an Eides statt". (Von Clemens Staudinger, DER STANDARD; Printausgabe, 13./14.3.2010)