Nennen wir das Kind beim Namen: Gier. Selber Antrieb wie in der Finanzwirtschaft. Der Antrieb, Fahrzeuge möglichst günstig herstellen und möglichst teuer verkaufen zu können. Aktionäre wollen befriedigt sein. Die Autofirma als Geldfabrik. Und das Argument, Hersteller müssten sich die horrenden Entwicklungskosten teilen: Gute Güte, wurden früher denn keine Autos gebaut?

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Daimler jedenfalls wird mit Renault kooperieren, um die nächste Smart-Generation margenmaximal lancieren zu können. Und wie die Banker muss das deutsche Traditionshaus aufpassen, den Karren (Smart) durch akuten Gierinfekt nicht an die Wand zu fahren. Dabei hat der perfekt in unsre Zeit passende Zweisitzer, vorbildlich sparsam bei Sprit- wie Parkraumverbrauch, eben erst begonnen, Tritt zu fassen. Es gibt Menschen, die angesichts der Perspektiven zu Protokoll geben: Da bestell' ich noch einen aktuellen Smart, der ist ingenieurstechnisch ein Mercedes - einen verkappten Renault mag ich nicht. Sonst kann ich ja gleich Twingo oder Clio kaufen.

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Etikett und Schwindel: In vielen Fällen will dieses Kalkül nicht recht aufgehen. Da lässt Opel von den Chevy-Koreanern einen SUV mitentwickeln: Chevrolet Captiva und Opel Antara, auch stilistisch nahe Verwandte. Der Antara ist nicht gerade ein Renner. Auch in Zeiten der Globalisierung wollen Opel-Kunden offenbar ein deutsches Auto für ihr Geld, doch das werden die GM-Jungs in Detroit nie begreifen. Insofern ein Segen für Rüsselsheim, dass der neue/alte Eigner den Gerüchten nach doch noch beschlossen hat, den Corsa-Nachfolger statt in Korea in Deutschland zu entwickeln.

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Ein großer Erfolg war seinerzeit, als die Dieselwelle Europa erfasste, die GM-Entscheidung, die Dieselkompetenz für Opel ins Anti-Diesel-Land Japan, an Isuzu, zu vergeben. Erst durch ein eilig gebasteltes Joint Venture mit Fiat konnte Opel sich aus der Misere manövrieren. Und bei Ford Europa brachte die Kooperation mit PSA (Peugeot, Citroën) die Trendwende nach dem Selbstzünderfehlstart. Meine Herren, wer denkt sich so was bloß aus und kriegt auch noch gut dafür bezahlt!

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Von mäßiger Marktresonanz sind ferner die halbherzigen Bemühungen französischer Hersteller, im SUV-Sektor zu reüssieren. Der Renault Koleos ist in Wahrheit ein bei der Koreatochter Samsung entwickelter und gebauter Wagen, die Kunden reagieren mit - äh: Zurückhaltung. Detto PSA: Peugeot 4007 / Citroën C-Crosser sind reinrassige Mitsubishi Outlander, nur bei der Gestaltung der Front und in der Emblematik setzt sich profundes Know-how aus Frankreich durch, das Straßenbild klärt über den Erfolg dieses Deals auf, 4007 und C-Crosser sieht man kaum.

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Und wenn bald Aston Martin mit dem Cygnet (Schwan) tausende neuer Kunden ködern will, Obacht: dass die Idee, einen Toyota iQ als sündteuren Aston zu verscherbeln, bloß nicht zum Schwanengesang für die exklusive englische Sportwagen-Kultfirma wird.
Aus den wenigen angeführten Beispielen lässt sich destillieren: Nicht jede Mogelpackung erfüllt die hohen Erwartungen. Speziell eines funktioniert immer öfter immer schlechter: Europäern Fernostware als europäische zu verscherbeln. Und Billigware als Premium. Ein Jaguar X-Type, der ein Ford Mondeo war? Danke nein, lautete die Antwort.

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Was indes mitunter klappt, ist die "Restlverwertung" von oben (Premium) nach unten (Masse): Chrysler durfte sich der technischen Basis der ausgelaufenen Mercedes-E-Klasse bedienen und lancierte 2004 den Chrysler 300C, in den USA lange ein echter Erfolgstyp. Nur die Metamorphose vom alten SLK zum Chrysler Crossfire 2003 entpuppte sich eher als Flop.

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Einer der größten Erfolge, Sie werden's kaum glauben, war allerdings: der VW-Technologieträger Phaeton. Nicht nur, dass dessen W12 via Bentley zum meistgebauten Zwölfzylinder aller Zeiten avancierte, der Phaeton lieferte auch die Basis für den Bentley Continental. Der verkaufte sich bisher zehntausendfach - und begründete in der obersten Exquisitliga eine ganz neue Nische. Glaubhaft wirken auch Rolls-Royces und Minis, die BMWs sind.
Fazit: Unternehmerischer Anstand, Ethik, Etikette, sind gefragt. Etikettenschwindel: nicht immer. (Andreas Stockinger/DER STANDARD/Automobil/12.3.2010)

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