Nazi-Raubkunst, die im Juni versteigert wird: Egon Schieles auf 7,3 bis 10,2 Mio. Euro geschätzte "Krumauer Landschaft" (1916), deren Erben von Sotheby's Restitutionsabteilung und der Israelitischen Kultusgemeinde ausfindig gemacht worden sind.

(Zum Vergrößern des Fotos anklicken)

Foto: Sotheby's

Das von der Stadt Linz im Dezember 2002 an die Wiener Kultusgemeinde restituierte und fünf bis sieben Millionen Pfund teure Schiele-Ölbild "Krumauer Landschaft (Stadt am Fluss)" wird im Juni bei Sotheby's London versteigert werden.


Wien - Am 23. Juni dieses Jahres dürfte zumindest eines der vielen offenen Kapitel zum Thema Restitution von geraubtem Kulturgut geschlossen werden: Wenn nämlich Sotheby’s London ein hervorragendes Werk Egon Schieles versteigert.

Das mit dem Schätzpreis von fünf bis sieben Millionen Pfund realistisch taxierte Gemälde Krumauer Landschaft (Stadt am Fluss), 1916, gehörte einst Willi und Daisy Hellmann, geborene Steiner. Zwei Sammlern, die das Bild direkt vom Maler erstanden hatten und es mit vielen anderen Gegenständen bei ihrer Flucht 1938 nach Brasilien in Wien zurücklassen mussten.

Die Stadt Linz erwarb das Gemälde 1953 für die Neue Galerie Linz und hatte, wie berichtet, das Ölbild im Dezember 2002 der Israelitischen Kultusgemeinde Wien überantwortet. Dem waren jahrelange Recherchen vorangegangen, wie die Executive-Direktorin des Präsidiums der Kultusgemeinde, Erika Jakubovits, im Gespräch mit dem STANDARD berichtet. "Es gestaltete sich als äußerst schwierig, die Erben der 1980 verstorbenen ehemaligen Besitzerin ausfindig zu machen", laut Times sieben an der Zahl, davon einer britisch.

Und sie zerstreut auch gleich einen Einwand, mit dem sie sich immer wieder konfrontiert sieht: "Es wird kritisiert, dass die Erben Kunstwerke sofort wieder auf den Markt bringen. Bei solch einem Bild kann keiner der vielen Erben den anderen auszahlen. Zudem leben die nunmehrigen Schiele-Besitzer zurückgezogen, in bescheidenen Verhältnissen."

Jakubovits lobt die Initiative der Stadt Linz, das Bild "aus moralischen Gründen" an die rechtmäßigen Besitzer zurückzugeben. Man hätte nicht müssen, da die Neue Galerie kein Bundesmuseum sei, bei denen sehr wohl das Rückstellungsgesetz gelte. Die Stadt Linz, die außer Obligo ist, hatte im Vorfeld der Recherchen 1999 ein umfangreiches Gutachten in Auftrag gegeben, welches beweist, dass der ehemalige Besitzer und Weiterverkäufer an die Neue Galerie im Jahre 1953, der deutsche Kunsthändler Walter Gurlitt, sehr wohl gewusst haben musste, dass es sich hier um geraubtes jüdisches Kulturgut gehandelt hatte.

Diese Beweise hätte die ehemalige Besitzerin Daisy Hellmann nach 1945 erbringen sollen, als sie das Werk in Österreich zurückverlangte, welches Gurlitt 1942 bei einer Dorotheum-Auktion über die Galerie Sanct Lukas um 1800 Reichsmark ersteigert hatte. Dem damaligen "dritten Rückstellungsgesetz" vom 6. Februar 1947 galten Werke nur dann als entzogen, wenn der Erwerber wusste oder wissen musste, dass es sich um konfisziertes Vermögen gehandelt hat. Gurlitt bestritt, davon etwas gewusst zu haben, Daisy Hellmann ging leer aus.

Sie startete im Februar 1949 einen zweiten Anlauf, mit einer Beschwerde an die Rückstellungskommission, welche wiederum abgelehnt wurde. Als Kunsthändler hätte Gurlitt 1942 wissen müssen "dass jüdisches Eigentum in Massen zur Versteigerung gelangte", argumentierte Hellmann.

Erika Jakubovits, die derzeit punkto Restitution "an zehn großen Wiener Sammlungen" arbeitet, liegt daran, dass die Geschichte transparent bleibt. Deshalb entschied man, das Schiele-Bild, welches auch im Rahmen der Impressionisten-Auktionen im Mai des Jahres in New York ausgestellt wird, zur Versteigerung zu geben. (DER STANDARD, Printausgabe, 11.4.2003)