Mehrere tausend Studenten verschiedenster Länder gingen am Donnerstag in Wien aus Protest auf die Straße.

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Der Empfang, mit dem die Studierenden den ministeriellen Party-Zug aus Budapest (siehe Artikel Seite 2) in Wien begrüßten, war überschwänglich: "Burning university - make Bologna history" war die dominierende Parole, als sich die Studierenden am Donnerstagnachmittag versammelten. Zwar waren sich die Demonstranten einig, dass das Zehn-Jahr-Jubiläum von Bologna "kein Grund zum Feiern ist" , die Stimmung auf der Demo war dennoch ausgelassen.

10.000 bis 12.000 Demonstranten nahmen laut einem Sprecher der studentischen Protestbewegung Bologna Burns teil; laut Polizeiangaben waren es 3200, jedoch wären wegen der verschiedenen Kundgebungsorte genaue Angaben nicht möglich. Ein Technowagen führte den Protestzug an. Mit Transparenten und Parolen gaben die Studierenden ihrem Unmut Ausdruck. Zu hören waren Teilnehmer aus Italien, Spanien, Deutschland, Serbien, Griechenland, Frankreich und der Türkei. "Wir wollen freie Universitäten" wurde skandiert.

Die Demo verlief laut Polizei zunächst ohne Zwischenfälle. Beim Parlament veranstalteten mehrere hundert Personen einen Flashmob. Sie rannten die Rampe hinauf und fragten per Transparent: "Quo Vadis?"

Nach der Abschlusskundgebung wollten die Demonstranten durch Straßenblockaden den Ministern den Weg in die Hofburg versperren. Dazu wurden an mehreren Ort Sitzstreiks durchgeführt. "Sie, die mit ihren Limousinen hierherkommen, müssen erst einmal an uns vorbei" , hieß es bei der Abschlusskundgebung. Die Hofburg wurde von der Polizei allerdings großräumig abgesperrt.

Die Aktion wurde von 63 Organisationen unterstützt, darunter die Hochschülerschaft oder die Globalisierungskritiker von Attac. Auch grüne Politiker wie die Bildungs- und Wissenschaftssprecher Harald Walser und Kurt Grünewald mischten sich wieder unter die Demonstranten.

Unterstützung erhielten die Studierenden auch durch die Lehrenden: Ein Zug von "squatting teachers" , einem Zusammenschluss von Lehrenden, die sich im Rahmen der Audimax-Besetzung formiert hat, begleitete den Protestzug. Weiters wurde teilweise der Lehrbetrieb, etwa an der TU Wien und der Philologisch-Kulturwissenschaftlichen Fakultät der Uni Wien ausgesetzt, wie ein Sprecher von Bologna Burns bestätigte.

Appelle an die Politik

Während ein Teil der Studierenden gegen das Bologna-Jubiläum auf der Demo protestierte, äußerten andere ihre Kritik an der Bologna-Reform auf weniger konfrontativem Weg. Die konservative ÖH-Fraktion Aktionsgemeinschaft nahm an den Protesten offiziell nicht teil, richtete aber stattdessen einen Appell an die europäischen Minister: Sie sollten den Gipfel nutzen, um Lösungen für die vorherrschenden Probleme zu finden. Doch auch die Universitäten sollten den Studierenden den Bachelor positiver vermitteln.

Auch der Vorsitzende der ÖH der WU Wien Stefan Kilga nahm die Feierlichkeiten zum Anlass, um Kritik zu üben: "Es ist eine Farce, dass die Regierung selbst nach zehn Jahren noch immer nicht in der Lage ist, im öffentlichen Dienst eine volle Anerkennung der neuen Studienabschlüsse durchzusetzen."

Schon im Vorfeld der Minister-Jubiläums-Konferenz war es zu Protestmaßnahmen gekommen. Nur zwei Monate nach Freigabe des letzten besetzten Hörsaals C1 am Campus wurde die Uni Wien kurzzeitig wieder besetzt. In der Nacht auf Donnerstag nahmen Studierende den Hörsaal 1 des Neuen Institutsgebäudes unter Beschlag, gaben ihn am Morgen aber freiwillig wieder auf. Auch die anliegenden Räume des Instituts für Politikwissenschaft wurden besetzt. Hier hinterließen die Besetzer ausgehängte Türen, kaputte Tische und stahlen einen Beamer. Ob sie zur Bologna-Burns-Bewegung gehören, blieb unklar. Am Institut vermutete man "Demonstrationstouristen" .

Trotz der Besetzung kann der Alternative Gipfel der Studierenden wie geplant von Freitag bis Sonntag am Campus der Uni Wien stattfinden. Workshops zu Themen wie "Universalität zwischen Wissensexplosion und Kommerzialisierung" bis hin zu "WissensarbeiterInnen im Hexagramm der Prekarität" bilden das Kernprogramm. Das Hörsaalzentrum am Campus im Alten AKH wird als Infopoint eingerichtet. Auch die allseits beliebte Volxküche, die die Studenten während der Besetzungen im Herbst mit Essen versorgte, wird hier wieder installiert. (Astrid-Madeleine Schlesier und Tanja Traxler/DER STANDARD, Printausgabe, 12.3.2010)