Hansi Hinterseer bei der Ausübung seines Berufs in der Wiener Stadthalle

Foto: STANDARD / Christian Fischer

Eine Bergpredigt mit der Betonung auf die Berge.

Wien - Hansi Hinterseer singt keine Lieder. Seine Lieder singen ihn. Der sympathische Tiroler kommt in der Wiener Stadthalle also pünktlich auf die Bühne. Um halb acht ist laut Plakat Dienstbeginn. Und Hansi wird uns nie belügen. In Gottes Namen bringen wir es also hinter uns.

Das hat etwas von der Präzision einer Schneekanone, wenn sie sich rechtzeitig zu Ferienbeginn auf den weihnachtlich-grünen Kitzbüheler Ganslernhang entlädt. Vorausgesetzt, es hat nicht mehr als fünf Plusgrade. Weil dann mit der landschaftlichen Anbindung des künstlichen Schnees an die schöne Bergwelt nämlich Sense ist - und das Après-Ski schon ein paar Stunden früher anfängt: "Griaß enck. Griaß enck. Mei, fein dassa do seit's! Hockt's enck her do zu mir."

Der langen Rede kurzer Sinn: Hansi lässt sich das Singen nicht verbieten. Er muss es aber auch nicht tun. Das ist ein ganz entscheidender Faktor in seinem Gewerbe der Vermehrung des Glücks in den unwirtlichsten Zeiten und Gegenden. Wem nichts verboten ist, der wird zur reinen Form, zum Sieg des Scheins über die kalten, harten Fakten des Lebens. Hansi wird für sein Publikum zur Lichtgestalt. Während also die Lieder Hansi Hinterseer singen, klettert der Mann, ungehindert von Mikrofonkabeln, Monitorboxen, musikalischen Dynamikschwankungen, Verstärkerpfeifen oder verpassten Refraineinsätzen hinunter "zu die liaben Leitl'n" .

Hansi Hinterseer legt dort unten Hand auf. Er ist die heilende Kraft für uns vom Schicksal Beladene. Hansi lächelt und strahlt. Er lässt sich eng umschlungen "mit die Fans" fotografieren. Er verschenkt etwas von seiner weder von Bitterkeit noch von Zynismus befleckten alpinen Seele.

Hoffnung und Busserln

Auch wenn das noch so künstlich wirken mag, Hansi Hinterseer ist völlig deckungsgleich mit seiner Kunst. Da passt kein Hauch von Ironie zwischen die Textzeilen. Das sind ehrliche Gefühle, die hier, wenn schon nicht live, so zumindest leibhaftig vermittelt werden. Hansi Hinterseer gibt Hoffnung und Busserln. Und er empfängt dafür ihm dargebrachte Sträuße der überschwänglichen Liebe in lieblosen, kalten und ökonomisch der Verknappung zugeneigten Zeiten. Er ist das große Pro in einer Welt voller Antis. Heimat. Liebe. Feine Zeit. Gute Zeit. Ich lieb dieses Land. Du, du, du. Das Leben ist schön. Die Berge. Die schönen Berge. Komm mit mir in die Berge. Dort bin ich zu Haus. In den schönen Bergen Tirols. Viva, Tirol!

Zwischen Hunsrück, Rostock und Bruck an der Leitha wird diese Botschaft gierig aufgesaugt. Damit wird der Alltag wieder erträglich. Wer das nicht wahrhaben und verstehen will, der hat weder etwas vor dem Fernseher verloren, wenn Hansis Shows und Filme laufen, noch muss er sich die persönliche Audienz mit dem seine Botschaft millionenfach über CDs, T-Shirts, Kopfkissen und DVDs verkaufenden Bergprediger antun. Wir, die wir aber heute hier zusammengekommen sind, wollen glauben. Auch wenn es schwer ist: Nimm dir die Zeit zum Leben. Tanz nicht allein. Schön, dass du da bist. Die Berge sind ewig. In Gottes Hand.

Das ist die Frohbotschaft der volkstümlichen Musik. Sie tröstet und macht uns Mut. Durchhalten! Ob das ehrlich ist? Es ist ehrlich gemeint. Wer kann schon aus der Ferne sagen, ob der Schnee am Berg vom Himmel gefallen ist oder aus der Steckdose kommt?

Warum also sollte uns Hansi Hinterseer als nicht nur mit großem Herz, sondern auch mit riesigem Fehlerpotenzial ausgestatteter Sänger diese Zusammenkunft einer lange verloren geglaubten Gemeinschaft verderben? Mit einem Livekonzert? Solange haben wir auf diesen Moment gewartet. Unsere Geduld ist endlos. Da können die Lieder auf die dazugehörigen Lippenbewegungen ruhig einmal ein bisserl warten.

Der für seine 56 Jahre fast schon kitschig gut aussehende Entertainer feiert den Abschluss einer bis ins Hamburger Alpenvorland führenden Tournee. Mit dieser feiert er sein 15-jähriges Bühnenjubiläum. Hansi Hinterseer, der trotz bescheidener musischer Talente trotzdem eine Batzenkarriere hingelegt hat, sagt uns mit seinem Dasein eines. Er mag zwar oben stehen im gleißenden Licht der Sieger. Aber er ist und bleibt einer von uns. Ein Mann des Volkes. Im Zweifel könnten wir das auch. Für ein dreistündiges Dauerlächeln müssten wir allerdings eisern trainieren. Ach ja, die Ansagen zwischen den Liedern waren live. (Christian Schachinger / DER STANDARD, Print-Ausgabe, 12.3.2010)