Aufdecker Pretterebner mit Filmemacher Robert Dornhelm: Begegnung, im ehemaligen "Club 45" im Demel.

Foto: STANDARD/Cremer

Standard: Herr Pretterebener, sie haben den Film von Robert Dornhelm gesehen und sind als beinahe legendärer Aufdecker des Falles Proksch entsetzt darüber, wie man diese Figur nicht durchschauen konnte und immer noch nicht kann.

Pretterebner: Der Dornhelm, der das handwerklich perfekt macht, nennt das ein Sittenbild der Zweiten Republik - das war übrigens der Untertitel von meinem zweiten Buch -, aber von einem Sittenbild ist keine Rede, es wird der politische Aspekt völlig ausgeklammert. Dass sich eine ganze Politikergeneration zum Narren hat machen und einbinden hat lassen in kriminelle Aktivitäten.

Nur eine Hommage an die Außergewöhnlichkeit des Udo, ein Künstler, der über die Maßen einfühlsam war, so kreativ und so weiter. Bis heute nicht ein ernsthaftes Wort der Kritik. Diese Leute sind faktenresistent. Der Film geht an sich über den Fall hinweg: Ein Schlitzohr war er, aber einen kaltblütiger Mord? - nein. Eine Reinwaschung, vom Unterrichtsministerium für die Schulen empfohlen.

Standard: Viele sahen eben nur den Clown.

Pretterebner: Er hatte zwei Gesichter. Einerseits: Er hat nichts ernst genommen, sich selbst auch nicht. Diese Späße, das Hallo, diese pseudophilosophischen Anwandlungen. Es kam zu einer Begegnung im Justizpalast. Ich stand an der Brüstung im Stiegenhaus, da hat er mich von hinten gepackt, über die Brüstung gehoben und gesagt: ,Wennst jetzt net schwörst, dass du nix Schlechtes über mi schreibst, lass i aus'. Dann hat er gesagt, es war nur ein Spaß.

Standard: Ich selbst habe ihn ganz gut gekannt, aber nie verstanden, warum diese ganzen Prominenten sich von diesem Maniker haben einkochen lassen.

Pretterbener: Gratz hat einmal gesagt, die Politik ist so sterbenslangweilig, ich brauch den Udo einfach zur Unterhaltung. Das ist übrigens die einzige Passage in dem Film, wo der Udo schlecht wegkommt, wo es um diese Erpresserfotos von Politikern geht. Seine Exfrau Daphne Wagner sagt, er hat sie ihr gegeben und sie hat sie verbrannt. Alle kann er ihr nicht gegeben haben, denn einen ganzen Schwung hat er noch dabei gehabt, als er in Schwechat verhaftet wurde. Die beschlagnahmten Fotos haben sich am Weg von der Flughafenpolizei in die Innenstadt in Luft aufgelöst. Man weiß nicht, ob die nicht teilweise eine Funktion erfüllt haben.

Standard: Unter Schwarz-Blau wurden Justiz und Polizei ebenfalls instrumentalisiert.

Pretterebner: Korruption gibt es überall, aber Lucona ist um mehrere Dimensionen größer, weil es um ein Mordkomplott ging. Das Schlimme ist: in Wahrheit konsequenzenlos. Auch ein damaliger Wissenschaftsminister hat den Udo, als er nach seiner ersten Verhaftung freigepresst wurde, umarmt und gesagt: "schön, dass du wieder da bist". Der ist heute Bundespräsident. So viel zur politischen Aufarbeitung .

Standard: Sie haben ein ziemliches Vorurteil gegen die Sozialdemokratie. Das hat ihrer Glaubwürdigkeit geschadet und hat jemand wie Heinz Fischer wirklich glauben lassen, das wäre eine rechte Verschwörung.

Pretterebner: Ich gebe zu, ich bin wirklich ein militanter Antisozialist und -marxist. Ich bin ein Wertkonservativer, man kann mich als heimatlosen Rechten bezeichnen. Aber da ging es um Fakten.

Standard: Ihr abschließendes Urteil?

Pretterebner: Für den Proksch war das ein kriminelles Gesamtkunstwerk. Er hat sich gefühlt, wie wenn er im Krieg wär. Im Krieg sterben eben Leute. Anders lässt sich das "Projekt" nicht verwirklichen. (Hans Rauscher, DER STANDARD, Printausgabe, 11.3.2010)