Trautes Heim mit Blick auf den freien Himmel: ideal auch für Menschen, die den Großteil ihrer Zeit drinnen verbringen.

Foto: picturedesk.com

Dort wurde über die Verantwortung der Bauforschung, Energieeffizienz, Fensterschatten und die Bedeutung des Tageslichtes gesprochen.

Ihr Forschungsfeld ist im Kommen – auch in Zeiten der Krise sind sie gefragt: Eine Schar an Unternehmen will mit ihnen kooperieren. Dabei sieht die Frage, die im Zentrum ihrer Wissenschaft steht, auf den ersten Blick, wie eine Frage des persönlichen Geschmacks aus: "Wie werden wir morgen wohnen?"

Es sind die Bauforscher, die dieser Frage mit wissenschaftlicher Methodik nachgehen. Vergangenen Donnerstag haben sie sich zum "Fachdialog Innovation" an der Donau-Universität Krems getroffen, um sich untereinander und mit Unternehmern auszutauschen. Future Buildings – Forschung für energieeffiziente und nachhaltige Gebäude lautete der Titel der vom Land Niederösterreich veranstalteten Tagung, an der insgesamt über 200 Personen teilnahmen.

Dort wurde versucht, erst einmal mit gängigen Klischees über die Baubranche aufzuräumen, der oft eine gewisse Innovationsscheu nachgesagt werde. Aufgrund der Langlebigkeit von Gebäuden werde Bauen nur selten mit "Scientific excellence" assoziiert – "zu Unrecht", wie Peter Holzer, interimistischer Leiter des Departments "Bauen und Umwelt" der Donau-Uni Krems, bedauerte. Gerade im Bausektor müssten Innovation und erstklassige Forschung aus einer gesellschaftlichen Verantwortung heraus entstehen.

"Die letzten 50 Jahre waren geprägt von billig verfügbarer Energie", stellte Holzer fest. Alle drei Generationen verhundertfache sich der Energiebedarf pro Kopf. "Die Verantwortung der Bauforschung ist riesig", betonte Holzer. Was getan werden kann und welche Bedeutung der Bauforschung vor allem in Zeiten der Wirtschaftskrise und Ressourcenknappheit zukommt, wurde in Vorträgen über Wärmedämmung, Sanierung oder Dämmstoff-Recycling thematisiert.

Glas für Stubenhocker

In eine andere Kerbe in Sachen Nachhaltigkeit schlägt die Forschung von Renate Hammer, Fachbereichsleiterin für Architektur und Ingenieurwissenschaften der Donau-Universität. Ausgangspunkt ihrer Arbeit ist die Beobachtung, dass auch Glasscheiben Schatten werfen – sowie die Tatsache, dass Menschen der postindustriellen Gesellschaft mittlerweile 90 Prozent ihrer Lebenszeit in geschlossenen Räumen verbringen. "Dieser Daueraufenthalt im Innenraum bleibt für ein evolutionär an das Leben unter freiem Himmel angepasstes Wesen nicht ohne Folgen", meinte Hammer.

Um mehr darüber herauszufinden, verglich sie das Solarstrahlungsangebot im Außenraum mit dem im Innenraum, und zwar hinter unterschiedlichen Glasscheiben – von Einfachgläsern bis zu Zweischeiben-Sonnenschutz-Verglasung. Das Ergebnis: Zwar sind die Scheiben allesamt für Strahlungsanteile im sichtbaren Bereich gut durchlässig, aber für die kurzwelligere UV-Strahlung sind sie weitgehend undurchlässig. Damit wird die Vitamin-D-Produktion der Haut, für die das UV-Licht notwendig ist, unterbunden – Mangelerscheinungen sind die Folge, wie medizinisch bestätigt wurde.

So wird nun die Struktur des Glases erforscht. Fürs Erste plädierte Hammer dafür, attraktive, besonnte Aufenthaltsbereiche im Freien den Wohnungen anzuschließen und großflächig öffenbare Fassadenteile zu bauen, damit Sonne direkt in den Innenraum einfallen kann.

Zurück zum Kastenfenster

Das Fenster als Forschungsobjekt hat auch Erich Bernard (BWM Architekten und Partner) für sich entdeckt. Aber ihm hat es ein ganz besonderes angetan: das alte Wiener Kastenfenster, seiner Meinung nach "ein Fenster aus der Vergangenheit für die Zukunft mit nachhaltigen Qualitäten".

Seine Messungen ergaben, dass der Lichteinfall bei modernen Fenstern weit unter dem von alten Kastenfenstern liegt und sie einen besseren Schallschutz bieten. Und sie haben einen weiteren Vorteil im Sinne der Nachhaltigkeit: Die Kastenfenster aus Holz haben eine viel höhere Lebensdauer als moderne Fenster, in 90 Prozent der Fälle wäre ein Sanierung möglich. Umso mehr bedauerte Bernard, dass in Wien bereits 60 Prozent der Kastenfenster "unwiederbringlich" verloren seien.

"Ökologie und Wirtschaft gehen nicht immer den gleichen Weg", stellte auch einer der Diskutanten bei der Abschlussdebatte fest, "dann kann es zu Interessenkonflikten kommen". Alle Bemühungen um Nachhaltigkeit wären umsonst, wenn die Menschen die Technik nicht nutzen, bemerkte der Unternehmer Hans Herbert Schmoll von Schiedel Kaminsysteme. Deswegen müssen auch futuristische Technologien "auf die Bedürfnisse der Menschen eingehen". (Tanja Traxler/DER STANDARD, Printausgabe, 10.03.2010)