Moritz, ganz ohne Max: Elly Jackson von La Roux beschwor im Wiener Gasometer den Geist der 1980er-Jahre.

Foto: Christian Fischer

Hier die Kühle des Trockeneises, dort die Wärme bloßfüßiger Hippie-Romantik.

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Wien - Mit den Schubladen ist es ein Kreuz. Da lässt sich seit zwei, drei Jahren eine Rückbesinnung auf die polyestergoldenen Achtziger ausmachen sowie eine gewisse weibliche Dominanz in den internationalen Hitparaden - mit Lady GaGa als der neuen Führerin des Rudels. Und schon ist die Musikpresse mit einem neuen Terminus zur Stelle. Der Begriff "Wonky Pop" soll all jene zusammenfassen, die dies- und jenseits des Mainstreams die Musik in die Tanzbude führen.

Mit La Roux und Florence and the Machine waren nun zwei Vertreterinnen dieser schiefer gelegten Popmusik in Wien zu Gast und zeigten, dass zwischen dem von der terminologischen Klammer mühsam Zusammengehaltenen tatsächlich Welten liegen. Dabei gibt es durchaus Gemeinsamkeiten. In beiden Fällen standen junge Londonerinnen mit roten Haaren auf der Bühne. Doch während bei der einen Gefühl und Stil barock wuchern durften, herrschten bei der anderen Klarheit und Kühle.

La Roux gaben am Montag ihr Österreich-Debüt in der berühmt stimmungsvollen Gasometerhalle. Wobei: Eigentlich debütierte nur Sängerin Elly Jackson. Ihr musikalischer Partner Ben Langmaid hat es nicht so mit dem Rampenlicht und blieb lieber im heimatlichen England. Dafür also mehr Scheinwerferlicht für Elly, die mit ihrer charakteristischen Haartolle und Kreissägenstimme die öffentliche Wahrnehmung des Duos ohnedies dominiert.

Die kahle Bühne teilte sie sich mit zwei Keyboardern und einem Schlagzeuger, die den dünnen Elektrosound des La Roux betitelten Albums mit Leichtigkeit eins zu eins für das zahlreich erschienene Publikum reproduzieren.

Den Unterschied zur Platte macht Ellys Gesang, der irgendwo zwischen Mund, Mikrofon, Lautsprecher und Besucherohr jede Differenziertheit verlor und letztlich nur noch schrill war. Neben einer an sich recht gelungenen Adaptierung des alten Rolling-Stones-Haderns Under My Thumb gab es wenig Aufregendes. Miss Jackson ist leider nicht die große Entertainerin, die man sich bei diesem Act, der derzeit alle Trendbarometer zum Ausschlag bringt, erwartet hätte. So musste das selten einsetzende Stroboskoplicht anzeigen, wann es sich um einen der fetzigeren Momente handelte.

Duett mit dem Brusthaarbären

Dass die Show nach nur fünfzig Minuten ihr Ende nahm, war dem bunt zusammengewürfelten Publikum egal, schließlich gab es als einzige Zugabe noch Bulletproof, den auch aus einer Mobilfunkwerbung bekannten Hit der Band. Dafür schlüpfte die Roux noch schnell in einen Kapuzenfrack und reckte als androgyne Zeremonienmeisterin den Massen das Mikro entgegen. Da gingen die Fotohandys in die Luft und der Brusthaarbär im Publikum sang mit seiner Freundin inbrünstig im Duett. Die schönsten Pics finden Sie auf Facebook.

Gänzlich anders die Show von Florence and the Machine in der ausverkauften Arena am Sonntag. Blumen schmückten die Bühne und das dahinter aufgespannte Leintuch. Barfuß tanzte die dralle Florence Welsh im Kreis, während ihre Band eine Harfe und allerlei Perkussion zum Klingen brachte. Hier regierte also ein gewisses Hippie-Feeling. Und tatsächlich rief die stimmgewaltige Florence, die in ihren harscheren Momenten gerne mit PJ Harvey, in sphärischeren mit Kate Bush verglichen wird, in ihren Texten furchtlos Bruder Mond und Schwester Sonne an. Auch hier war nach einer Stunde der Spaß zu Ende, da man sich auf das Material des Debüts Lungs beschränkte.

Vielleicht lag es an der winterlichen Witterung: Die Wärme von Florence entließ mit einem wohligeren Gefühl als der kühle Elektropop von La Roux. Da halfen auch die Schulterpolster nichts. (Dorian Waller, DER STANDARD/Printausgabe, 10.03.2010)