Dieses "Bruchstück" konnte Meister Eckhart zugeordnet werden.

Foto: Uni Göttingen

Göttingen - In den Beständen des sogenannten Diplomatischen Apparates, einer Lehrsammlung der Universität Göttingen, finden sich über tausend Urkunden, Handschriften, Fragmente und Siegel - darunter auch ein Pergamentblatt, das bis vor kurzem unidentifiziert geblieben war. Katalogisiert war es schlicht als "Bruchstück aus einem mystischen Traktat".

Die Münchener Handschriftenforscherin Gisela Kornrumpf konnte dieses Fragment nun identifizieren: Es gehört zu einer Predigt des Eckhart von Hochheim, der im Spätmittelalter unter der Bezeichnung Meister Eckhart zu einem bekannten Theologen und Philosophen wurde; bis heute steht er auch im Ruf eines Mystikers. 1328 starb er noch während eines Häresie-Prozesses, der gegen ihn angestrengt worden war; ein Teil seiner Lehren wurde nach seinem Tod verboten. Die Identifizierung des Textfragments - aus einer Predigt zum ersten Johannes-Brief - kommt indessen zur rechten Zeit: Im Jahr 2010 begehen die Meister Eckhart-Forscher den 750. Geburtstag des Dominikaner-Predigers, dessen genaues Geburtsjahr allerdings nur ungefähr mit 1260 angegeben werden kann.

Kornrumpfs Entdeckung war nur möglich, weil die Forscherin im Internet auf den digitalisierten Text zurückgreifen konnte. "Das doppelseitige Göttinger Handschriftenbruchstück stammt aus dem ersten Viertel des 14. Jahrhunderts", so die Spezialistin für deutschsprachige mittelalterliche Handschriften Karin Schneider aus Herrsching. Es ist nicht nur das älteste erhaltene Fragment dieser Predigt; es handelt sich um eines der frühesten Zeugnisse der gesamten Eckhart-Überlieferung überhaupt. Der Text ist noch zu Lebzeiten Meister Eckharts von einem unbekannten Schreiber angefertigt worden. (red)