Foto: Kunstmann Verlag

Der Tag fängt nicht übel an, man könnte Gänseblümchen zählen gehen oder einen netten Bade- und Flugtag einlegen - mit blauem Himmel, Sonne, einer feinen Brise in den Federn. Doch plötzlich steht ein Typ hinter der Ente, der eigentlich ganz nett wäre, würde man davon absehen, wer er ist. Weg gewesen ist er nicht, der Tod, er war nur nicht da. "Ich bin schon in deiner Nähe, solange du lebst" , sagt er, bevor sich die beiden aufmachen - zum Baden und Bäume-Besteigen. Meist aber sitzen der leichtfüßige Tod und die groß gewachsene Ente im Gras und reden ein wenig. Am Schluss steht der Tod allein am Fluss: "Lange schaute er ihr nach. Als er sie aus den Augen verlor, war der Tod fast ein wenig betrübt. Aber so war das Leben."

Der großartige Texter und Illustrator Wolf Erlbruch erzählt in seinem wunderbaren, nur wenige Seiten langen Büchlein Ente, Tod und Tulpe nicht nur die Geschichte des Weggehens und des Sterbens, sondern skizziert leichthändig auch die Parabel einer (zu) kurzen Berührung zweier Einsamkeiten, ja, der Vergänglichkeit an sich. Zart, warm und melancholisch ist der Ton der kurzen Bildtexte und sanft der Strich der Illustrationen. Schon vor einigen Jahren haben wir uns an dieser Stelle bezüglich der A4-formatigen Ausführung des Buches vor Bewunderung überschlagen. Diese Woche ist nun dieses mehr als empfehlenswerte Bändchen zum Vor- und Selberlesen im preiswerten Kleinformat (12 mal 15 cm) erschienen. Vielleicht wird man zum Leser, weil man irgendwann, eventuell sogar als Kind oder Jugendlicher, ein Buch in die Hand bekam, das im Gelände der Sehnsucht einschlug, das Leben oder mindestens die Sicht darauf veränderte, kurz, einem etwas auf den Weg mitgab. Ente, Tod und Tulpe ist so ein Buch. Man sollte es haben. (Stefan Gmünder, ALBUM - DER STANDARD/Printausgabe, 06./07.03.2010)