Drei Wochen nach Kriegsbeginn war es endlich so weit: Tausende Iraker jubelten dem britisch-amerikanischen Invasionsheer in den Straßen von Bagdad zu, öffentliche Gebäude wurden geplündert, Statuen von Saddam Hussein von den Sockeln gestürzt, das Regime brach zumindest in der Hauptstadt völlig zusammen. Dieser Krieg, der ohne jede rechtliche Grundlage begonnen hatte, neigt sich seinem Finale grande zu.

Nur noch in und um Tikrit, der Heimatstadt von Saddam und seinem Clan, wird es in den nächsten Tagen zu Kämpfen kommen, prophezeien US-Militärs, dann sei der Krieg endgültig gewonnen. Der Tyrann vom Tigris gehöre jedenfalls der Geschichte an.

Dass die USA dank ihrer überlegenen Kampfkraft den Krieg militärisch gewinnen würden, stand nie infrage, die Frage lautete vielmehr: Gewinnt das westliche Invasionsheer auch den Frieden für den geschundenen Irak, dessen Menschen seit mehr als 20 Jahren unter Kriegen, Unterdrückung und Sanktionen litten; allein der erste Krieg am Golf zwischen Irak und dem Iran (1980-1988) dauerte länger als der Zweite Weltkrieg.

Im Pentagon gab man sich in den letzten Wochen jedenfalls erstaunlich zuversichtlich: Nach dem militärischen Sieg soll der Irak zu einer Vorzeigedemokratie mutieren, schließlich war ein solches Umerziehungsexperiment nach dem Zweiten Weltkrieg auch mit den Deutschen und Japanern gelungen, die mit weit mehr Fanatismus als die Iraker ihren Führern gefolgt waren. Und der derzeitige Jubel der befreiten Iraker könnte zu so etwas wie einer nachträglichen Legitimierung des amerikanisch-britischen Angriffskrieges dienen.

Dazu muss allerdings angemerkt werden, dass es für die Zeit nach dem Krieg derzeit keinerlei detaillierte Pläne gibt, die eine Umwandlung des totalitären Systems in eine lebensfähige Demokratie bewirken könnten: Es ist keine Nachkriegsordnung in Sicht. Der kluge US-Regimewechsler musste ja nicht nur jemanden beseitigen, sondern auch etwas anderes an dessen Stelle setzen. Nur wen oder was?

Die irakische Opposition ist zersplittert und nur in ihrer Gegnerschaft zu Saddam Hussein vereint. Die traditionellen Stammesführer im Irak, die in Basra bereits mit dem britischen Militär paktieren, können nur innerhalb ihrer Stammesgebiete Verantwortung übernehmen. Die Kurden, die zwar auf US-Seite mit in den Krieg ziehen durften, werden in der Nachkriegsgeschichte des Irak auch keine große Rolle spielen, das verbittet sich die Türkei. Es gibt also, ähnlich wie in Afghanistan, keine Gruppe, keine Persönlichkeit, die den irakischen Staat künftig führen könnte.

Eine Einbindung der UNO in die irakische Nachkriegsverwaltung wurde zwar von US-Präsident George W. Bush und dem britischen Premier Tony Blair wortreich versprochen, doch wie diese Ordnung aussehen soll, ist umstritten: "So bald wie möglich" soll das Land an eine irakische Interimsverwaltung übergeben werden, der UNO soll eine "vitale" Rolle zukommen.

Das kann aber alles heißen: ein sofort einzusetzender Übergangsregent, autonome lokale Führer mit ausländischer Schutzmacht, eine gesamtirakische Nationalkonferenz nach afghanischem Vorbild. Es gibt keinen Fahrplan für den Irak nach Saddam, außer dem amerikanischen Ziel, den Wiederaufbau des Irak selbst in die Hand zu nehmen und ordentlich Profite zu erzielen. Der Krieg muss sich schließlich lohnen, erste Aufträge wurden schon vergeben.

Nach den Plünderungen in Bagdad und Basra ist klar, dass die Koalitionstruppen noch monatelang im Irak bleiben werden müssen, allein um Anarchie zu vermeiden und Sicherheit zu gewährleisten. Diese Truppen werden, nachdem die erste Begeisterung über den Sturz von Saddam vorbei ist, die Hauptverantwortung für den Frieden tragen müssen, obwohl sie dafür nicht geschult sind.

Mit dem Sturz des Saddam-Regimes sind die Probleme noch lange nicht gelöst, möglicherweise beginnen die Schwierigkeiten jetzt erst. (DER STANDARD, Printausgabe, 10.4.2003)