Raimund Abraham 1933-2010

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Markstein: das Austrian Cultural Forum in New York.

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Er ist 76-jährig einem Verkehrsunfall in Los Angeles zum Opfer gefallen.

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Los Angeles - Vergangenen Mittwochabend hielt Raimund Abraham am Southern California Institute of Architecture seinen letzten Vortrag: Die Verklärung der Stars unter den Architekten war einer der zentralen Punkte, die Abraham, der die Komplexität des Einfachen bedingungslos gegenüber dem Spektakulären, dem technisch gerade noch Machbaren verteidigte, dabei ein letztes Mal scharf kritisiert hat.

Ein letztes Abendessen mit Freunden und Wegbegleitern wie Eric Owen Moss und Peter Noever später war Abraham tot, mit einem Bus in Downtown L.A. kollidiert, noch an Ort und Stelle seinen Verletzungen erlegen. Raimund Abraham hat - prototypisch für sein Leben - nicht die vorgeschriebene Fahrtrichtung eingeschlagen.

Der 1933 in Lienz in Osttirol geborene Architekt war nicht im Ruhestand, hat nicht daran gedacht, das eigene Haus, an dem er seit Jahren in Mexiko baute, als Alterssitz zu nutzen.

Er hat dort umgesetzt, was seine Sache, seine Haltung war: kompromissloses Bauen, elementare Architektur, schlichte Häuser mit einer sinnstiftenden Verschränkung von internen und externen Blicken, Häuser, die skulptural erscheinen mögen, im Kern aber der Funktion verpflichtet sind - Orte, die Intimität und Öffentlichkeit versöhnen.

Verbindliche Botschaft

"Ich werde", sagt Dietmar Steiner, Direktor des Architekturzentrums Wien, "die Botschaft von Raimund Abraham niemals vergessen: ,Jeder Bau verletzt die Erde. Jeder Architekt hat deshalb die Verantwortung, dass diese aufgeladene Schuld der Verletzung der gegebenen Erde nur durch eine kulturelle und künstlerische Verbesserung versöhnt werden kann.‘"

In Mexiko und in New York, der Stadt, in der er seit 1971 lebte, hat er weitergeplant, gezeichnet, gedacht, seine Vorlesungen (an der Cooper Union und am Pratt Institute in New York) ausgearbeitet. In Vorbereitung war etwa ein Musikerhaus auf dem ehemaligen Militärgelände bei Neuss in Nordrhein-Westfalen im Rahmen des Projekts "Museumsinsel Hombroich" .

Als Raimund Abrahams Hauptwerk gilt das Austrian Cultural Forum in New York, das, so Dietmar Steiner, "nur unter schwierigsten Rahmenbedingungen verwirklicht werden konnte, aber heute als Manifest und Landmark zeitgenössischer Architektur in die globale Architekturgeschichte eingeschrieben ist". Das Magazin Wallpaper hat Abrahams Bau, der auf nur sieben Metern Breite und - für New York - mickrigen 24 Etagen den großen Bürotürmen locker Paroli bietet, unter die fünf wichtigsten Gebäude New Yorks gereiht.

Protest gegen FP-Beteiligung

Zwei Jahre vor der Eröffnung des Hauses legte Abraham aus Protest gegen die Regierungsbeteiligung der FPÖ seinen österreichischen Pass nieder. 2002 wurde er amerikanischer Staatsbürger. Österreichs aktuelle Kulturministerin Claudia Schmied würdigte Abraham in einer ersten Reaktion kenntnisreich: "Diese Qualität betraf nicht nur sein architektonisches Werk, sondern auch sein öffentliches Wirken. Er ging keine Kompromisse ein, da er bedingungslos an seinen Prinzipien festhielt." Und diese Prinzipien vor allem auch weitergab.

Elementarteile

Abraham, der wenig gebaut hat - einige Wohn- und Geschäftshäuser in den USA, die Hypo-Bank-Filiale in seiner Heimatstadt Lienz - war ein ungemein bedeutender und einflussreicher Lehrer; hierzulande leider nur im Rahmen von Gastvorträgen bei Kollegen.

"Raimund Abraham hat der Architektur unserer Zeit von seinen ersten Recherchen der bäuerlichen "elementaren Architektur" des Alpenraums bis zu seinen großartigen literarisch-poetischen Zeichnungen und den wenigen ihm vergönnten Bauten (Anm: bei den internationalen Wettbewerben zum Centre Pompidou und der Bastille-Oper in Paris wurde er jeweils auf den zweiten Rang gereiht) eine neue Begründung ermöglicht", sagt Dietmar Steiner stellvertretend für viele, denen Abraham weit mehr war, denn der "Schwierige" mit dem Kulturinstitut. (Markus Mittringer, DER STANDARD/Printausgabe, 06./07.03.2010)

>>> Meldung vom 5.3.2010

Meldung vom 5.3.2010

Los Angeles/Wien - Bereits 1984 hatte Peter Marboe, damals Leiter des Kulturinstituts in New York, einen Neubau vorgeschlagen, weil ihm eine Sanierung des alten, asbestverseuchten Hauses in der 52. Straße nicht sinnvoll erschien. Und tatsächlich wurde vom Außenministerium ein offener Wettbewerb ausgelobt. Als Sieger ging aber nicht Hans Hollein hervor, wie es erwartet worden war, sondern ein ziemlicher Nobody: Raimund Abraham.

Der Osttiroler, 1933 in Lienz geboren, hatte von 1952 bis 1958 an der TU in Graz studiert. Zwischen 1960 und 1964 arbeitete er als freischaffender Architekt in Wien, danach war er Professor an der Rhode Island School of Design in Providence. 1971 übersiedelte er nach New York, wo er als Adjunct Professor am Pratt Institute und als Gastdozent an der Cooper Union for Advancement of Science and Art tätig war.

Realisiert hatte Abraham bis 1992 nicht viel, nur ein paar Häuser. Bei den wirklich großen Wettbewerben (z.B. Centre Pompidou oder Bastille-Oper in Paris) war er immer nur Zweiter geworden. Damit hatte der gedrungene Mann mit dem mächtigen Schnurrbart und dem weißen Hut aber kein Problem: Abraham verstand sich eher als Theoretiker und beschäftigte sich vor allem mit "imaginärer Architektur" . Diese sei, sagte er, viel besser als gebaute, wenn sie schlecht ist. Der Titel seiner Monografie, 1996 erschienen, hieß daher treffend [UN]BUILT.

Die Pläne für das in "Kulturforum" umgetaufte Institut hingegen versprachen eine nachgerade exemplarische Architektur: Seit dem Seagram Building des Mies van der Rohe habe es kein vergleichbares Werk mehr in der Stadt gegeben, lobten die Kritiker.

Bis zur Realisierung des Miniwolkenkratzers mit der wasserfallartigen Glas-Alu-Fassade - rund 20 Stockwerke hoch bei einer Gebäudebreite von nur 7,6 Metern - brauchte es aber Jahre. Zuerst verweigerte der damalige Finanzminister Andreas Staribacher die Mittel, dann pfuschten die Baufirmen, schließlich gab es auch noch Umplanungen.

Das Haus wurde nicht, wie einst vorgesehen, als Höhepunkt des österreichischen Millenniums 1996 eröffnet. Und die Kosten explodierten von projektierten 13 auf 33 Millionen Dollar.

Im April 2002 konnte das Kulturforum schließlich feierlich eröffnet werden. Der Baukünstler war sichtlich stolz. Die Freude der Regierungsvertreter aber ein wenig getrübt: Raimund Abraham, der sich nie den Mund verbieten ließ, hatte aus Protest gegen die schwarz-blaue Regierung um die US-Staatsbürgerschaft angesucht. Er erhielt sie - kurz vor der Eröffnung. Österreicher blieb er dennoch.

Am 4. März kurz nach Mitternacht starb Abraham in  Downtown Los Angeles bei einem Autounfall: er stieß mit einem Autobus zusammen.  Wie das österreichische Generalkonsulat mitteilte,  hatte Abraham nur wenige Stunden zuvor noch einen Vortrag am Southern California Institute of Architecture (SCI-Arc) gehalten. Dessen Direktor Eric Owen Moss beschrieb ihn in einer ersten Reaktion als "unersetzbare Kraft in der Architektur". Das Institut veranstaltet am  Freitag um 13.00 Uhr eine Zusammenkunft im Gedenken an Abraham. (Thomas Trenkler / DER STANDARD, Print-Ausgabe, 5.3.2010 / APA / red)

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Reaktionen

Als einen "Mann von Klarheit" würdigte Kulturministerin Claudia Schmied in einer ersten Reaktion Raimund Abraham, "Diese Qualität betraf nicht nur sein architektonisches Werk, sondern auch sein öffentliches Wirken. Er ging keine Kompromisse ein, da er bedingungslos an seinen Prinzipien festhielt."

Sein Einfluss lässt sich nicht nur in seinen umgesetzten Werken erkennen, sondern vor allem auch in dem Geist, mit dem er zahlreiche nationale und internationale Architekten beeinflusste. Von all seinen Bauten sticht das österreichische Kulturforum in New York City hervor, das zu einem Aushängeschild einer modernen Kulturnation, für die er stand, wurde. Die internationale Kunstszene verliert durch seinen Tod einen zentralen Vertreter", so Schmied.

Dietmar Steiner, der Direktor des Architekturzentrums Wien, zeigte sich "schockiert und tief betroffen" von der heute Nacht bekanntgewordenen Nachricht. Abraham sei "einer der bedeutendsten Architekten Österreichs" gewesen. "Er war sein ganzes Leben lang einzig und bedingungslos der autonomen Kunst der Architektur verpflichtet, hat dieser mit intellektueller Radikalität und künstlerischer Vision neue Dimensionen eröffnet." Sein Hauptwerk sei der Bau des "Austrian Cultural Forum" in New York, "das nur unter schwierigsten Rahmenbedingungen verwirklicht werden konnte, aber heute als Manifest und Landmark zeitgenössischer Architektur in die globale Architekturgeschichte eingeschrieben ist".

Mit Raimund Abraham verliere nicht nur Österreich, sondern die gesamte Welt der Architektur eine Position der radikalen kulturellen Verantwortung des schöpferischen Architekten. "Ich werde", so Dietmar Steiner, "die Botschaft von Raimund Abraham niemals vergessen": "Jeder Bau verletzt die Erde. Jeder Architekt hat deshalb die Verantwortung, dass diese aufgeladene Schuld der Verletzung der gegebenen Erde nur durch eine kulturelle und künstlerische Verbesserung versöhnt werden kann."

Auch Wiens Planungsstadtrat Rudi Schicker betonte, dass Raimund Abraham "nicht nur durch sein architektonisches Schaffen und seine Lehrtätigkeit weit über die Grenzen unseres Landes hinaus anerkannt war", sondern "auch eine klare persönliche Haltung vertreten" habe. "Abraham, der durch die spektakuläre Gestaltung des Kulturforums in New York ein österreichisches Zeichen avantgardistischer Architektur gesetzt hat, hat zwar in Wien nur mit einem Bauwerk seine Spuren hinterlassen (gemeint ist sein Beitrag zur Siedlung Traviatagasse, Anm.), Wien wird sein Andenken jedenfalls hoch halten", schloss Schicker.

"Raimund Abraham war einer der wichtigen visionären Architekten der 60er Jahre", würdigte der Doyen der österreichischen Architektur, Pritzker-Preisträger Hans Hollein, seinen Kollegen. "Sein Hauptwerk ist in Amerika. 2005 wurde ihm das Goldene Ehrenzeichen für Verdienste um das Land Wien überreicht. Es ist bedauerlich, dass er nicht die Chance für ein wesentliches Spätwerk in Österreich bekam."

Bundeskanzler Werner Faymann würdigte Abrahams Leistungen, aber auch dessen politischen Überzeugungen: "Professor Abraham war ein Weltbürger aus Österreich und erregte nicht zuletzt mit dem Bau des Österreichischen Kulturforums in New York international große Aufmerksamkeit. Er war ein Aushängeschild für Österreichs Architekturtradition und gleichzeitig ein Mahner gegen politische Fehlentwicklungen."

Als "Visionär und Avantgardist der neuen experimentellen Architektur des 20. Jahrhunderts", sieht Wiens Kulturstadtrat Andreas Mailath-Pokorny den verstorbenen Architekten. Sein Kulturforum New York zeige, "wie kleinlich im Nachhinein die Vorhaltungen finanzieller Natur und die Einwürfe aller politischen Parteien angesichts seiner nachhaltigen architektonischen Bedeutung waren. Abraham bewies nicht nur in der Architektur Haltung, sondern war auch politisch konsequent, weil er am radikalsten gegen die schwarz-blaue Regierung demonstrierte, indem er die österreichische Staatsbürgerschaft niederlegte. Umso erfreulicher war es, dass er 2005 als ebenso politischen Akt eine hohe Wiener Auszeichnung annahm."

Auf die Zurücklegung der Staatsbürgerschaft nahm auch Kunsthallen-Direktor Gerald Matt in einer Aussendung Bezug: "Es ist eine Schande, dass sich die österreichische Bundesregierung bis jetzt nicht bequemte, Raimund Abraham seine Staatsbürgerschaft wieder zu verleihen", so Matt. (APA)