Nikolay-Leitner fordert nun eine verpflichtende Einkommenstransparenz: Jedes Unternehmen solle zumindest eine "Grobstruktur" entwerfen müssen.

Foto: Standard/Regine Hendrich

Wien - Die Gleichbehandlungsanwaltschaft hat vergangenes Jahr 4.578 Fälle betreut. Der Großteil betrifft laut Gleichbehandlungsanwältin Ingrid Nikolay-Leitner noch immer Geschlechterdiskriminierung in der Arbeitswelt, wobei 82 Prozent der Beschwerden von Frauen kommen. Schwierigkeiten gebe es etwa mit intransparenten Beförderungsverfahren oder Gehaltssystemen, so Nikolay-Leitner. Verpflichtende Einkommenstransparenz und spezifische Quoten könnten helfen, ist die Anwältin überzeugt.

Mehr Beratungen

An die Gleichbehandlungsanwaltschaft, angesiedelt bei Frauenministerin Gabriele Heinisch-Hosek im Bundeskanzleramt, kann man sich wenden, wenn man sich im Rahmen des Gleichbehandlungsgesetzes diskriminiert fühlt - aufgrund des Geschlechts, des Alters, der Religion oder Weltanschauung, der ethnischen Zugehörigkeit oder der sexuellen Orientierung. Insgesamt verzeichnete die Gleichbehandlungsanwaltschaft 2009 mit 4.578 Fällen eine Zunahme der Beratungen - dies liege allerdings nicht automatisch an vermehrter Diskriminierung, sondern vor allem an gut funktionierender Information, betonte Nikolay-Leitner.

Böse Überraschung bei Schwangerschaft

Mit Abstand die häufigsten Fälle im Vorjahr, nämlich 3.455, bezogen sich demnach auf Geschlechterdiskriminierung in der Arbeitswelt, 82 Prozent davon betrafen Frauen. "Überraschend oft" sei es dabei um Kündigungen in Probearbeitsverhältnissen aufgrund einer Schwangerschaft gegangen, auch der Wiedereinstieg nach der Karenz mache nach wie vor "große Probleme". Auffallend viele Fälle habe es auch im Zusammenhang mit Kopftuchträgerinnen gegeben. Kein Einzelfall sei weiters das "Hinausdrängen" von Frauen, sobald sie auch nur irgendeinen Pensionsanspruch haben, so Nikolay-Leitner.

Männer bevorzugt

Schwierigkeiten gebe es auch mit Beförderungen: Männer würden in der langfristigen Personalplanung oft vorgezogen, tauche dann eine qualifizierte Frau als Bewerberin auf, würden oft nur mehr "Pro-Forma-Hearings" abgehalten. Es sei auch kein Einzelfall, dass Ergebnisse von Assessment-Centern den Bewerberinnen einfach nicht mitgeteilt würden, es herrsche eine "hohe Intransparenz", meinte die Gleichbehandlungsanwältin.

Gehaltslügen

"Unglaublich intransparent" seien weiters die Gehaltssysteme in vielen Unternehmen, Frauen würden oft "offen angelogen". Man mache es den Frauen nicht leicht, auf Ungerechtigkeiten draufzukommen, und wenn es ihnen gelinge, würden sie oft ohne Entschuldigung mit Ausreden abgespeist, kritisiert Nikolay-Leitner. Den "Gipfel" habe sie erlebt, als eine hoch qualifizierte Frau so erfolgreich eine Abteilung aufgebaut habe, dass ein Stellvertreter notwendig geworden sei - der Mann habe sich aber geweigert, unter einer Frau zu arbeiten, woraufhin man ihr angeboten habe, als Stellvertreterin zu arbeiten und ihr Gehalt dafür auf sein Niveau anzugleichen.

"Harte Sanktionen"

Nikolay-Leitner fordert nun eine verpflichtende Einkommenstransparenz: Jedes Unternehmen solle zumindest eine "Grobstruktur" entwerfen müssen - nicht für die Öffentlichkeit, sondern um diese bei Bedarf etwa Institutionen wie der Gleichbehandlungsanwaltschaft zur Verfügung zu stellen. Sinnvoll wären laut Nikolay-Leitner auch spezifische Frauenquoten, etwa in Aufsichtsräten. Hier müsste es allerdings eine entsprechende Vorlaufzeit, Schulungsprogramme und Listen mit qualifizierten Frauen geben - und letztendlich auch "harte Sanktionen". Ab einem gewissen Anteil sei es nämlich "nicht mehr so leicht", Frauen aus den Führungspositionen wieder "rauszubeißen". (APA)