Verena Jantschs Modell ist der Wurm C. elegans.

Foto: MFPL

Ein Fadenwurm, der gerade einmal eine Länge von einem Millimeter misst, ist in den vergangenen zwei Dekaden zum intensiv beforschten genetischen Modellorganismus avanciert. Verena Jantsch, Gruppenleiterin an den Max F. Perutz Laboratories (MFPL) der Uni Wien und der Med-Uni Wien, kennt C. elegans schon lange und weiß dessen Vorteile zu schätzen: "Es ist ein einfaches System mit sechs Chromosomenpaaren, das viele Finessen eines Tieres aufweist. C. elegans vermehrt sich rasch und zahlreich und hilft uns, biologische Prozesse zu entschlüsseln."

Die Biochemikerin hat sich mit einem Elise-Richter-Stipendium des Wissenschaftsfonds FWF 2008 habilitiert. Zuletzt widmete sie sich mit Mitteln des WWTF (Wiener Wissenschafts-, Forschungs- und Technologiefonds) und FWF der Chromosomenpaarung während der Keimzellteilung (Meiose).

Während der Meiose werden die elterlichen Chromosomen - je eine Kopie von Mutter und Vater - nach dem genetischen Austausch getrennt, und je ein Set wird auf die Tochterzellen verteilt. Durch das Studium von Mutanten, bei denen dieser Prozess nicht funktioniert, gewinnt Jantsch Erkenntnisse über den Vorgang der Chromosomenverteilung. Zuletzt hat ihr Team das Protein SUN-1 beschrieben. SUN-1 verbindet die Chromosomen mit einem Bewegungsapparat, der dafür sorgt, dass die gleichen Chromosomen beider Eltern zueinanderfinden, aber auch falsch gepaarte getrennt werden. "Was die Identität eines Chromosoms ausmacht, ist noch weitgehend unbekannt. Diesen heiligen Gral gilt es noch zu finden. Wäre toll, dabei zu sein", sagt Verena Jantsch.

Für Diplomarbeit und Doktorat ging die Oberösterreicherin nach dem Biochemiestudium an der Uni Wien in die USA und verbrachte insgesamt vier Jahre in Baltimore. Ihr Betreuer an der Carnegie Institution of Washington gehörte zu den Pionieren am C.-elegans-Modell: "Nachdem es in den USA eher wenige Studenten gibt, ist es für junge Gruppenleiter nicht einfach, Mitarbeiter zu rekrutieren, wenn sie noch ein unbeschriebenes Blatt sind. Ich war seine erste Studentin, die sich für seine Arbeit zur Muskelzellentwicklung interessiert hat", lacht die Forscherin.

Mit einem Nobelpreis ist ihr Exbetreuer nun kein unbeschriebenes Blatt mehr. Das Klima an dem privaten Forschungsinstitut beschreibt Jantsch als "privilegiert, was sicher auf die Menge der Ressourcen zurückzuführen ist". Die Begeisterung für Forschung sei im Mittelpunkt gestanden. Beeindruckt habe sie auch die Mentorting-Kultur sowie die Möglichkeit, sich auf riskante Themen einzulassen, für die man hierzulande schwer Mittel einwerben könnte. In den Staaten wurde ihr bewusst, dass Wissenschaft ein kreativer Prozess ist, nicht zu diktieren oder erzwingbar, der eher ein "gepflegtes Umfeld" braucht.

Mit dem ersten Kind kehrten sie und ihr Mann zurück nach Wien. Während des Postdoc arbeitete Verena Jantsch in verschiedenen Bereichen, war aber froh, als ihre Erfahrung für die Etablierung von C. elegans als Modellorganismus hierzulande gefragt war. Den Rund-um-die-Uhr-Job Forschung hat sie als Mythos enttarnt: "Die Menge der Zeit bestimmt nicht allein den Erfolg." (Astrid Kuffner/DER STANDARD, Printausgabe, 03.03.2010)