Da beim Bauen von Karosserien nicht alle Werkstoffe zueinanderpassen, suchen österreichische Forscher nach neuen Lösungen für die robuste Verbindung der Materialien.

Foto: Audi

Allein die Umsetzung ist nicht so einfach, wie es klingen mag, das Material muss den Belastungen im Fahrzeug standhalten.

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Die Idee vom automobilen Leichtbau könnte einleuchtender kaum sein: Jedes eingesparte Kilogramm Gewicht eines Fahrzeugs mindert fast direkt seinen Kraftstoffdurst. Gleichzeitig nimmt so der CO2-Ausstoß ab. Als Faustregel gilt: 100 Kilogramm weniger Gewicht bringen 0,3 bis 0,5 Liter weniger Verbrauch auf 100 gefahrene Kilometer. Portemonnaie, Umwelt und Gewissen sind entlastet - alles ist gut. Wäre da nicht die Umsetzung.

Denn die ist ungleich komplizierter als die Idee. "Es gibt zwar viele Materialien, die leichter als Stahl oder Aluminium sind", sagt Gerhard Schindelbacher vom Österreichischen Gießerei-Institut (ÖGI), "die Frage ist nur: Wie bringen wir diese mit bekannten oder anderen neuen Werkstoffen so zusammen, dass sie die Belastungen im Automobil auch aushalten?"

Liebesheiraten seien das nämlich in den allermeisten Fällen nicht, so der Experte. Leichtmetalle wie Magnesium können etwa nicht - jedenfalls nicht so, dass es hält - mit anderen Metallen verschweißt werden. Auch für Stahl-Aluminium-Verbindungen oder alles, was mit kohlefaserverstärktem Kunststoff zu tun hat, müssen die Techniker tief in die Trickkiste greifen.

Plattform gegründet

Während allerdings die Großen der Branche wie BMW, Audi, Daimler, Volkswagen und Co viel Geld in die Hand nehmen, um solche Leichtbauverbindungen zu erforschen, haben kleine und mittlere Unternehmen (KMU) häufig keine Ressourcen, um eigene Forschungsprojekte zu betreiben. Damit die österreichischen Zulieferer in diesem Bereich nicht den Anschluss verlieren und für die künftigen Anforderungen der Hersteller gewappnet sind, wurde Ende letzten Jahres unter dem Dach des Verbandes Austrian Cooperative Research (ACR) die Kompetenzplattform "Multi-Material-Verbindungen" (MMV) ins Leben gerufen.

"In KMUs bleibt im aufreibenden Tagesgeschäft oft kaum Zeit, sich um Zukunftsthemen zu kümmern", sagt Johann Jäger, Geschäftsführer der ACR. "Wir wollen daher ein Technologievermittler zwischen den großen Automobilbauern und der heimischen Zuliefererindustrie sein." In dem zunächst auf 18 Monate angelegten Forschungsprojekt, das vom Wirtschaftsministerium unterstützt wird, sollen verschiedene Fügetechniken, die Eigenschaften solcher Verbindungsstellen und Methoden zu deren Prüfung und Charakterisierung sowie das Verhalten bei Alterung des Werkstoffverbundes untersucht werden.

Vier ACR-Mitgliedsinstitute bündeln dabei ihre Materialkompetenz: das Österreichische Forschungsinstitut für Chemie und Technik (ofi), das Österreichische Gießerei-Institut (ÖGI), die Schweißtechnische Zentralanstalt (SZA) sowie das Zentrum für Elektronenmikroskopie (ZFE). "Gussbauteile eignen sich beispielsweise sehr gut für den Leichtbau", sagt ÖGI-Mann Schindelbacher.

Sie böten eine sehr große gestalterische Freiheit und können dazu aus sehr vielen Werkstoffen hergestellt werden. Derzeit ist insbesondere Magnesium gefragt, da es im Vergleich zu Stahl und zu Aluminium um rund ein Fünftel beziehungsweise ein Drittel leichter ist und auch vollständig recycelt werden kann", erläutert Schindelbacher. Gussteile aus Magnesium könnten daher künftig vermehrt zum Einsatz kommen. Diese müssten aber auch in einer entsprechenden Qualität geliefert und mit anderen Materialien verbunden werden können. Die am ÖGI produzierten Gussteile, ob aus Magnesium- oder Aluminium-Legierungen, werden daher zunächst einer Prüfung mit Röntgengeräten unterzogen. Sie gibt Aufschluss über ungewollte Lufteinschlüsse.

Parallel dazu entwickelt Klaus Wichart von der SZA Fügetechniken, um Bauteile aus solchen Leichtbauwerkstoffen schweißen oder löten zu können. "Es gibt gewisse Tricks, um zwei Werkstoffe, die nicht miteinander wollen, trotzdem zusammenzubringen", sagt Wichart. Indem man etwa während des Schweißens ein flexibles Bimetall zwischen die unwilligen Partner bringt, gelingt die Vermählung. Ob Zusatzmaterial oder nicht: Erst der Blick durch das Mikroskop zeigt, ob Leichtbauverbindungen von Dauer sein werden.

Hochleistungsmikroskope

Am ZFE stehen der MMV-Plattform beispielsweise neun Hochleistungselektronenmikroskope zur Verfügung. "Beim Schweißen können sich in der Naht sogenannte intermetallische Phasen mit extrem hohen Härtegraden bilden", erklärt Ferdinand Hofer vom ZFE in Graz. Und die sind sehr spröde.

Was nichts anderes heißt als: Sie können nicht mehr verformt werden und brechen damit schnell. "Für den automobilen Leichtbau eignen sich solche Verbindungen kaum", sagt Hofer. Bliebe noch die Möglichkeit zu kleben. Ob Metalle mit Metallen, mit Glas oder mit Kunststoffen - Peter Liepert vom ofi untersucht, welche Klebeverbindung wo Sinn macht und wie lange sie hält. Insbesondere kohlefaserverstärkte Kunststoffe, kurz CFK, lassen sich auf diese Weise elegant mit anderen Leichtbauwerkstoffen zusammenbringen.

Kleben im Autobau

"Das Kleben ist in der Fahrzeugtechnik stark im Kommen", so der Experte. Spannend sei hier vor allem, dass die Technologie eine Funktionsintegration ermöglicht. Der Kleber klebt dabei nicht nur - bei der Frontscheibe ersetzt er gleichzeitig auch die Dichtung oder dämpft Schwingungen. Neben den Einzeldisziplinen werden auch verschiedene Kombinationen der Fügetechniken geprüft. So wird im Fahrwerksbau etwa Punktschweißen mit Kleben fusioniert. "Das ergibt besonders steife Bauteile", sagt Liepert.

Ziel sei, bei allen Plattform-Projekten eine möglichst breite Datenbasis zu schaffen, sagt ACR-Chef Jäger: "Diese stellen wir dann unseren Zulieferern zur Verfügung, damit sie das Wissen direkt in marktfähige Produkte umsetzen können." (Denis Dilba/DER STANDARD, Printausgabe, 03.03.2010)