"Billig" ist schließlich stets ein recht relativer Begriff

Foto: Der Standard/Heribert Corn

Wien - Die junge Dame schaut nicht unbedingt aus wie eine klassische Schnäppchenjägerin: Mit Designerhandtasche und Nerzweste drängt sie durch die Menge bis an den nächsten Wühltisch - und schnappt mit zielsicheren, flinken und gierigen Händen nach einem Paar Highheels. "Gucci" steht in goldenen Lettern auf dem Label am Schuhkarton - und die 22-jährige Wienerin ist nur um einen Tick schneller als die Frau neben ihr: "Hier gibt es Luxuslabels zu Tiefstpreisen," jubeln beide.

Die Damen aus sichtlich "besserem Haus" sind zwei von geschätzten 3000 Kundinnen, die noch bis Donnerstag in der Wiener Nationalbibliothek exklusive Luxus- und Designerware zu - relativ gesehen - Schnäppchenpreisen erhaschen wollen.

Hier, beim "Golden Caravan", treffen Glamour- und Nobelmarken-Feeling auf Kaufhaus-Schlussverkaufs-Atmosphäre. Eingebettet in entspannte Lounge-Musik gibt es mitunter kleine Schlachten um Edles mit Labels wie Versace, Ralph Lauren, Chloé oder Dolce & Gabbana, zu beobachten. Das teure Gut ist nach Flohmarktmanier auf Tischen gestapelt: "Wir haben über 7000 Artikel von 40 verschiedene Luxusmarken - um 30 bis 80 Prozent günstiger als üblich," erklärt Christiane Seitz, die Organisatorin des Events. "Bei uns ist alles billiger - aber nicht billig", räumt sie ein: Wer eine Gucci-Tasche statt um 2000 um 1000 Euro kauft und von einer "Mezzie" spricht, ist eher selten wirklich arm.

Der "Caravan" ist nämlich ein Luxus-Abverkaufs-Wanderzirkus - und kommt ursprünglich aus Genf: Der Banker Markus Gruschka schickt seit über einem Jahr sattelschlepperweise Luxus-Restposten der Vorjahressaison durch Europa - und ist vom Erfolg dieses Karawanenverkaufsprinzips selbst stets aufs Neue überrascht: Immer wieder balgen sich noble Damen um schicke Schuhe, "in Paris liefen einige sogar gleich in Unterwäsche zwischen den Kleiderständern herum - um sich die Umziehzeit in den Kabinen zu ersparen." Schließlich gilt hier, dass wer zuerst kommt, zuerst mahlt.

Die dadurch bedingte Hektik ist freilich nicht jederfraus (90 Prozent der Kunden sind Kundinnen) Sache: "Mir ist hier zu viel los", meint eine ältere Dame im Zobel, macht am teuren Tod´s-Absatz kehrt - und macht sich wieder auf den Weg in Richtung Kohlmarkt. (Sophie Neuner/Thomas Rottenberg/DER STANDARD, Printausgabe, 3.3.2010)