Das Innere des Menschen, mit bildgebender Technik nach außen gekehrt. Ab Donnerstag tagen Radiologien in Wien.

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Der am Donnerstag in Wien startende Europäische Radiologie-Kongress ist eine Leistungsschau.

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Am Donnerstag beginnt in Wien der Europäische Radiologie-Kongress (ECR). Dieses jährliche Treffen der Europäischen Gesellschaft für Radiologie, der heute am schnellsten wachsenden medizinischen Gesellschaft der Welt mit derzeit 45.870 Mitgliedern, bringt jedes Jahr mehr als 18.000 Teilnehmer aus gut 90 Ländern nach Wien. Die begleitende Industrieausstellung präsentiert auf mehr als 26.000 Quadratmetern Fläche eine Hightech-Leistungsschau von über 300 Ausstellern.

Was aber wird an Neuem diskutiert? Immerhin - bereits am 8. November 1895 entdeckte Wilhelm Conrad Röntgen jene unsichtbaren Strahlen, die die moderne Radiologie begründeten. Und heute gibt es eine Unzahl bildgebender Verfahren, die inzwischen allesamt als selbstverständlich angesehen werden. Wo also kann die Radiologie noch überraschen?

"Die Entwicklung der bildgebenden Verfahren in den letzten 30 Jahren hat wesentlich zum Fortschritt der modernen Medizin beigetragen", erklärt Werner Jaschke von der Innsbrucker Uniklinik für Radiologie dem Standard: "Diese Entwicklung ist jedoch noch lange nicht am Ende. In allen Verfahren schlummern noch ungenutzt Potenziale." Auf Röntgenstrahlen basierte Verfahren würden etwa von der Einführung monochromatischer Strahler profitieren, prognostiziert der Radiologe. Fortschritte der Ultraschall basierten Verfahren seien durch die zunehmende Miniaturisierung zu erwarten und Magnetresonanz-Technologien würden künftig durch kürzere Untersuchungszeiten und Erschließung neuer Bildinformationen - etwa über Metabolismus, Blutfluss, mechanische und physiologische Gewebscharakteristika - überraschen. Außerdem, verrät Jaschke, stünden innovative Verfahren vor der Einführung. Und in das Molecular Imaging (siehe Interview) setzen Mediziner überhaupt ihre Zukunftshoffnung. Also doch genug Gesprächsstoff für eine Tagung.

Bessere Lösungen gesucht

Der Kongress befasst sich aber nicht nur mit Geleistetem, sondern auch mit Mankos der Radiologie: "Idealerweise sollte ein diagnostischer Test eine 100-prozentige Sicherheit liefern", sagt Jaschke, "in der wirklichen Welt gibt es solche Tests leider nicht. Derzeit benützen wir etwa für die Brustkrebsdiagnostik eine Vielzahl von Methoden: Mammografie, Ultraschall, Magnetresonanz und Biopsie. Für dieses Problem haben wir derzeit keine bessere Lösung, aber wir suchen nach neuen Möglichkeiten."

Daneben habe die Radiologie auch Aufholbedarf bei der kardialen Diagnostik mittels Computertomografie und Magnetresonanz. Weitere Zukunftsthemen seien laut dem Radiologen auch die "großen Plagen" der Menschheit - Diabetes, degenerative Erkrankungen des Muskel-Skelett-Apparates und des Gehirns.

Bei Letzterem setzt ein Spezialgebiet an, die Neuroradiologie: "Die wichtigste Methode dafür ist die Magnetresonanztomografie. Damit kann man Einsichten in die Struktur, gewisse Funktionen, und den Metabolismus von Hirnstrukturen und der Wirbelsäule beziehungsweise ihres Inhaltes gewinnen", erklärt Daniela Prayer, Professorin für Neuroradiologie an der Med-Uni Wien dem Standard. Und was ist mit den oft kolportierten tiefen Einblicken in Gehirnfunktionen, kann man etwa Emotion sichtbar machen?

"Gewisse Denkprozesse wie etwa die Bildung von Wörtern oder die Durchführung oder auch nur Vorstellung von Bewegungen lassen sich mittels funktioneller Magnetresonanztomografie bestimmten Hirnregionen zuordnen", relativiert Prayer. Die Methode habe auch gezeigt, dass die Störung bestimmter Denkprozesse bei schizophrenen Patienten und auch die therapiebedingte Besserung damit erfasst werden kann. "Bei solchen Patienten kann auch das Erkennen und zuordnen von Emotionen gestört sein - das spiegelt sich in einer Aktivierung gewisser Hirnregionen, die man darstellen kann", erklärt Prayer.

Es gebe auch Studien, die gezeigt haben, dass unterschiedliche Zentren im Hirn darauf reagieren, wenn angenehme oder unangenehme Szenen gesehen werden. "Die beschriebenen Veränderungen sind nicht strukturell, sondern funktionell", sagt die Wissenschafterin. Mehr nicht.

Ein weites Themenfeld

Daneben widmet sich der Kongress auch radiologischen Möglichkeiten bei Hirnschlägen, der Kinderradiologie und den immer geringer werdenden Strahlendosen bei Röntgen und Computertomografie. Und bietet zudem Platz für Politisches: Radiologen wollen einheitliche EU-Gesetze für Teleradiologie. Experten sind wegen fehlender Zulassungen der Ärzte besorgt. Wenn etwa ein belgischer Arzt einen Befund nach Großbritannien schicken möchte, braucht er dazu eine gültige Zulassung in Großbritannien. Weiters muss es einen Vertrag zwischen dem Radiologen vor Ort und dem Teleradiologen geben. Was die oft geforderte Mehrfachbegutachtung nicht gerade fördert. (Andreas Feiertag/DER STANDARD, Printausgabe, 03.03.2010)