Buchtipp:

Uni Brennt. Grundsätzliches - Kritisches - Atmosphärisches, Hg. von Stefan Heissenberger, Viola Mark, Susanne Schramm, Peter Sniesko, Rahel Sophia Süß, Turia+Kant, Wien 2010.

Foto: Turia+Kant

An einem Donnerstag im Oktober wurde das Audimax besetzt. Schon zwei Tage zuvor haben Studierende - unter Beteiligung von Lehrenden - die Aula der Akademie der bildenden Künste in Beschlag genommen um gegen die Implementierung des Bologna-Systems an der Kunsthochschule zu protestieren.

Die Folgen sind bekannt. Wochenlang - bis kurz vor Weihnachten - blieb der größte Hörsaal der Hauptuni besetzt, wurde zum Zentrum der "Unibrennt-/Unseruni-Bewegung", die sich national und international ausbreitete. Grundlage für die studentische Organisation und Koordination des Unmutes über Studienbedingungen sowie -hierarchie war die Basisdemokratie. Zig Arbeitsgruppen bildeten sich um einzelne Aspekte und Konzepte zu bearbeiten. Im Plenum wurden laufend die Fortschritte präsentiert. Im Laufe des Novembers traf sich als Teil der basisdemokratischen Proteste auch zum ersten Mal die "Arbeitsgemeinschaft Buchveröffentlichung".

Einer der Gründe für das Wachsen und die Wahrnehmung der Studentenproteste war die mediale Vernetzung über das Internet, die Schaffung einer Zeitung oder die Einrichtung eines ständigen Livestreams aus dem Audimax. Angesichts der Anwendung des "Web 2.0" während der Besetzung scheint es beinahe anachronistisch, dass die erste Dokumentation der Proteste als Buch erscheint. Man wollte auf das Medium der Universität schlechthin, das Buch, zurückgreifen, so die Herausgebergruppe in der Einleitung. Auch um zu zeigen, dass man Teil der universitären Welt sei. Das dieser Tage im Verlag Turia+Kant erschienene Buch ist eine subjektive Dokumentation, eine Einordnung von Protest und Ursache aus der Sicht der Protestierenden. "Grundsätzliches, Kritisches, Atmosphärisches" - so verspricht der Untertitel des Buches - der Proteste sollen thematisiert und eingeordnet werden.

Dabei ist das Buch keine chronologische Beschreibung. Gut die Hälfte des Buches beschäftigt sich mit den grundsätzlichen Problemen unseres Universitätssystems, die erst zur breiten Mobilisierung der Studierenden führte. Bologna, Ökonomisierung der Bildung, Ausbildung anstelle von Bildung sind grobgefasst die Problemstellungen im ersten Teil des Buches.

"Teil von Unmündigkeit verloren"

Es ist ein dicht bepacktes Buch geworden. Doron Rabinovici stellt die Studierendenproteste in den Kontext eines allgemeinen Widerstandbegriffes. "Wer sich die Freiheit nimmt, für sie einzustehen, hat einen Teil von Unmündigkeit verloren", schreibt Rabinovici den Studierenden ins Stammbuch. Erich Ribolits und Paul Kellermann setzen sich mit den Begriffen Bildung und Ausbildung grundätzlich auseinander. Einer der Haupteile widmet sich dem Bologna-System. Nicht an Geld alleine mangelt es, es braucht ein neues System, einen verstärkten Dialog in den Universitäten - so der Grundtenor. Mit bedacht gingen die Herausgeber des Buches an die Auswahl der Texte und Autoren. Etablierte Professoren - wie Konrad Paul Liessmann -, Journalisten - wie Martin Blumau von FM4 - oder Studentenvertreter - wie Sigrid Maurer oder Eva Maltschnig - sind unter den Autoren ebenso wie Studierende, die sich während der Proteste engagierten.

Zwei weitere Kapitel widmen sich der Lebenswelt der Studierenden und der Arbeitswelt von Lehrenden. Obwohl auch Professoren den Protest teilweise unterstützten, waren es vor allem die LektorInnen und der Neue Mittelbau, der in ähnlicher Weise an der Umstrukturierung der Uni Wien zu leiden hatte. Thomas Schmidinger weist in seinem Beitrag daraufhin, "dass zwar generell große Sympathien für die Uniproteste unter verschiednenen Lehrendengruppen vorhanden waren, diese jedoch unter den ProfessorInnen weit weniger verbreitet waren als unter LektorInnen, ProjektmitarbeiterInnen und Neuem Mittelbau."

"Aus den besetzte Hörsälen"

Soweit zu den Ursachen des Protests. Der umfangreichste Teil - "Aus den besetzten Hörsälen" - beschäftigt sich mit den Organisationsformen des Protests. Studierende berichten über ihre Erfahrungen, schildern Organisationsstrukturen und Entwicklungen. So zentral das Audimax für die mediale Wahrnehmung der Studierendeninteressen auch gewesen war, so dezentral versuchten die Studierenden sich zu organisieren. Die Vernetzung und Abstimmung mit anderen Universitäten wurde zum wichtigen Bestandteil des Meinungsfindungsprozesses. Hier steckt sicherlich auch ein Problem der Internetmobilisierung. Durch den Aufbau einer virtuellen Protestwelt kam es dazu, dass Studierende von zu Hause aus an den Protesten "teilnahmen", immer weniger zeigten sich persönlich im Audimax oder in anderen besetzten Hörsälen des Landes. Studierendenberichte, Fotos und Forderungen bilden den athmosphärischen Teil. Doch auch Rektoren und Ministeriumsvertreter kommen zu Wort. Ausgewählte Reden, die prominente Personen im Audmax hielten, sind ebenfalls abgedruckt.

"Uni Brennt" ist ein subjektives Buch von und über die Studentbewegung, aber auch ein Positionspapier über das Studieren unter dem System "Bologna" aus studentischer Sicht.  Es versammelt eine Fülle von Berichten, Positionen und versucht nicht nur den Protest und die Probleme darzustellen, sondern einen Beitrag zur Hochschuldiskussion an sich zu leisten. An diesem Buch zeigen sich schließlich auch die Fähigkeiten die Studierende entwickeln, wenn sie frei darüber entscheiden, was zu ihrem Studium gehört und was welche Priorität hat. Es zeigt schließlich auch die Ernsthaftigkeit studentischer Anliegen. Für manche gehörte es im Wintersemester 2009/2010 dazu Teil der Audimax-Bewegung zu sein. Es ist die Semesterarbeit einer Bewegung. (seb, derStandard.at, 18.3.2010)