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Dungkäfer dürften die Listerien in das Hartberger Quargelwerk gebracht haben. Laut Ages müssen die Bakterien bereits im Juni 2009 in den Käse gelangt sein, Prolactal bemerkte sie im Herbst.

Foto: AP/Leodolter

Wien - Als Prolactal die Produktion seines Hartberger Bauernquargels am 19. Jänner 2010 stoppt, ist bereits seit drei Tagen klar: Zwei Menschen starben und zehn erkrankten schwer, nachdem sie den Quargel gegessen hatten. Ein neuer Stamm von Listerien hatte den Käse befallen und die Esser infiziert. "Am 15. Jänner war für uns klar: Es muss dieses Produkt sein" , sagt Roland Achatz von der Agentur für Gesundheit und Lebensmittelsicherheit (Ages), die in dem Fall ermittelte. Trotzdem wurde Prolactal erst am 19. Jänner informiert. Warum? "Dazwischen lag das Wochenende."

Eine Rückholaktion wird am 19. Jänner noch nicht gestartet. "Bis dahin wussten wir nur, dass es 2009 zu solchen Fällen gekommen war" , sagt Harald Schiffl von Prolactal. Erst am 22. Jänner kommen die amtlichen Ergebnisse eines Tests der Lebensmittelaufsicht vom 13. Jänner 2010 (siehe Chronologie): Von den fünf genommenen Proben sind zwei negativ, in drei fanden die Experten Listerien. "Allerdings in einer Menge unter dem erlaubten Grenzwert" , sagt Schiffl.

Am gleichen Tag warnt die Ages die EU-Behörden. In Deutschland entfernt Lidl als erster Supermarkt den Quargel aus seinen Regalen. Am 23. Jänner startet Prolactal in Österreich eine Rückholaktion. Am 20. Jänner schickt die Ages ihren vorläufigenEndbericht an dasGesundheitsministerium. An die Öffentlichkeit geht niemand. Erst am 16. Februar bestätigt das Gesundheitsministerium einen Zusammenhang zwischen den Bakterien im Quargel und den Toten - auf Nachfrage der APA.

Die Nachrichten über die Toten seien erst "nach und nach hineingetröpfelt" , erklärt Thomas Geiblinger, Sprecher von Gesundheitsminister Alois Stöger (SPÖ). Der Minister sei erst im Februar informiert worden, die Kommunikation zwischen den Beteiligten habe "nicht optimal" funktioniert. Das Ministerium sei nicht an die Öffentlichkeit gegangen, weil die Firma ohnehin von sich aus eine Rückholaktion gestartet und alle erforderlichen Maßnahmen eingeleitet hätte. Ähnlich sieht das Ages-Sprecher Achatz: "Juristisch gesehen hat die Informationskette funktioniert" , sagt er.

Anzeige gegen Stöger

Der BZÖ-Abgeordnete Gerald Grosz hat indes Strafanzeige gegen Stöger eingebracht, wegen "Beihilfe zur Körperverletzung mit tödlichem Ausgang" . Außerdem hat er eine Ministerklage vor dem Verfassungsgerichtshof eingereicht. Bei der Staatsanwaltschaft Wien ist bisher nichts noch nichts eingelangt. In Hartberg wird bereits ermittelt. "Wir haben die Polizei mit Untersuchungen beauftragt" , sagt Manfred Kammerer, Sprecher der Staatsanwaltschaft Graz. Aber: Bis es ein Ergebnis gibt, "kann das etwas dauern. Wir sind unterbesetzt, unterbezahlt und haben zu viel Arbeit."

Prolactal hat indes am Sonntag veröffentlicht, wie es nach Meinung des Unternehmens zu der Infektion gekommen ist. Durch ein Fenster sollen trotz Netz Dungkäfer in die Fabrik gekommen sein. Über diese Käfer, die auch in Tierkot und Aas leben, seien die Listerien in den Produktionskreislauf gelangt. Im Herbst 2009 seien bereits Listerien gefunden worden, allerdings in Mengen unter dem erlaubten Grenzwert. Die Fabrik sei daraufhin gereinigt und desinfiziert worden. Im November sei in der Fabrik eine Schutzkultur ausgetauscht worden, die verhindern sollte, dass Listerien sich im Käse ausbreiten. Offensichtlich wurde eine Kultur verwendet, die nicht genügendSchutz bietet. Wer warum die Kulturen tauschte, wird jetzt ermittelt. Die Ages hingegen ist sicher, dass die Listerien im Juni 2009 in den Käse gekommen sein müssen, da bereits im Juli Menschen erkrankten.

Der Quargel war auch Thema bei der Regierungsklausur in der Steiermark am Montag. Bei einer kurzfristig angesetzten Pressekonferenz erklärte Stöger, er sehe keine Versäumnisse seines Ministeriums. Über Einkaufslisten der Erkrankten habe man die Ursache schnell gefunden und reagiert.

In Österreich sind bisher fünf Menschen an Listerien aus dem Quargel gestorben und 21 erkrankt. Der letzte Todesfall datiert auf den 19. Februar 2010. Der Patient war bereits seit Anfang Jänner in Behandlung. In Deutschland gab es bisher drei Tote. (Tobias Müller/DER STANDARD-Printausgabe, 2.3.2010)